Wohnst du noch oder verzweifelst du schon? Die Wohnungssituation in Hessen spitzt sich weiter zu: Seit Jahren werden zu wenige Sozialwohnungen gebaut, gleichzeitig laufen Preisbindungen von Wohnungen aus, lange Leerstände sind noch immer nicht erfasst. Im Vergleich zu 2023 ist die Zahl der wohnungslosen und als solche erfassten Menschen in Hessen gemäß der hessischen Landesstatistik um 13,82 Prozent gestiegen. Damit sind in Hessen insgesamt 25.785 Menschen wohnungslos. „Viele Menschen in Hessen suchen verzweifelt bezahlbaren Wohnraum. Oft bleibt diese Suche jedoch erfolglos. Und wer einmal in einer Notunterkunft angekommen ist, findet mit dem Stigma der Wohnungslosigkeit noch schwerer eine neue Wohnung“, sagt Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, zum Tag der wohnungslosen Menschen am 11. September. Auch in diesem Jahr bietet die Diakonie Hessen mit ihren Mitgliedseinrichtungen wieder zahlreiche Aktionen und Gespräche rund um den Welttag an (siehe Übersicht).
Wohnungslosigkeit zieht sich mittlerweile durch alle Altersgruppen. So leben immer mehr alte Menschen sowie Kinder und Jugendliche in Notunterkünften. Carsten Tag: „Es darf nicht sein, dass in einem nach wie vor wirtschaftlich gut aufgestellten Land wie Hessen, insbesondere alte Menschen und Familien mit Kindern nicht ausreichend vor Wohnungslosigkeit geschützt werden. Zudem sind die vorhandenen Notunterkünfte nicht auf die spezifischen Bedürfnisse von alten Menschen und Familien ausgerichtet.“ Oft helfe es schon, die Menschen frühzeitig zu informieren und ihnen entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen. „Aber wenn es an bezahlbaren Wohnungen mangelt, hilft auch dies letztlich nicht weiter“, so Carsten Tag.
Alte und junge Menschen fallen aus dem Raster
Etwa 2.200 Menschen, die in den Notunterkünften leben, sind im Rentenalter. Das sind doppelt so viele wie noch 2022. „Menschen jenseits der 60 Jahre haben besonders Probleme eine Wohnung zu finden“, sagt Katharina Alborea, Referentin für Wohnungsnotfallhilfe bei der Diakonie Hessen. Der Übergang vom Erwerbseinkommen in die Rente ist oft mit finanziellen Einbußen verbunden, verschärft wird dies zusätzlich durch gesundheitliche Probleme. Einsamkeit und falsche Scham hindern an der Suche nach Unterstützung. Kommt dann nach ausbleibenden Mietzahlungen die Kündigung der Wohnung, wissen viele nicht weiter. Katharina Alborea: „Die Menschen schämen sich und suchen erst Hilfe, wenn es zu spät ist. Doch die sozialen Angebote und Einrichtungen für wohnungslose Menschen sind nicht auf die Bedürfnisse alter und gesundheitlich eingeschränkter Menschen ausgerichtet. Ihnen fehlt es an einer entsprechenden Ausstattung. Sozialarbeitende sind kein Pflegepersonal. Und wer auf einen Rollator angewiesen ist, kann nicht in einem Stockbett schlafen. Dies sieht der Gesetzgeber jedoch anders. Wer bereits in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, fällt aus dem Raster.“
Eine Notunterkunft ist kein Ort für Kinder
38 Prozent der wohnungslosen Menschen in Hessen sind unter 25 Jahren. Viele von ihnen hatten noch nie eine eigene Wohnung und kommen selten aus stabilen (Wohn-)Verhältnissen. Bezahlbarer Wohnraum und Wohnungen, die groß genug sind für Familien und ein lebenswertes Umfeld bieten, sind gerade in Ballungsräumen kaum zu finden. 7.280 Kinder und Jugendliche leben mit ihren Eltern regelhaft in – nicht immer vorbildlich ausgestatteten – Notunterkünften. Katharina Alborea: „Notunterkünfte sind kein Zuhause und schon gar kein Ort für Kinder. Hier kommen die unterschiedlichsten Menschen mit den verschiedensten Lebensgeschichten zusammen, teilen sich Bäder und Räume. Die Familien leben nicht nur auf engstem Raum, ihnen fehlt es überdies noch an vielen anderen Dingen, die lebensfähig machen – wie Platz zum Spielen, einen ruhigen Ort zum Hausaufgabenmachen oder Lesen. Kinder und Jugendliche brauchen ihre Privatsphäre und Platz, sich zu entfalten.“
Kontakt
Katharina Alborea
Referentin für Wohnungsnotfallhilfe
Tel.: 069 7947-6282
Mobil: 0151 18518750
katharina.alborea@diakonie-hessen.de
Weitere Informationen
Wohnungsnotfallhilfe Diakonie Hessen
In etwa 40.000 Beratungsgesprächen jährlich unterstützen die Mitarbeitenden in den Diensten und Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe der Diakonie Hessen Ratsuchende. Rund 250.000 Besuche und Kontakte gibt es jährlich in den 85 verschiedenen Diensten und Einrichtungen für wohnungslose Menschen an 17 verschiedenen Standorten der Diakonie Hessen. Dazu gehören Fachberatungsstellen, aber auch Tagesaufenthalte mit Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, Einrichten einer Postadresse, Gelegenheit zum Wäschewaschen, Trocknen, zur Körperpflege oder auch zur Zubereitung von warmen Mahlzeiten. Darüber hinaus bieten Einrichtungen Übernachtungs- und Wohnmöglichkeiten oder betreutes Wohnen an. Zudem gibt es Streetwork und an sechs Standorten eine medizinische Erstversorgung.