Der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Hesen, Carsten Tag, hat Anfang März die Jugendwerkstatt Hanau e. V. besucht. Ziel des Besuchs war der Austausch mit den Jugendlichen vor Ort, die zurzeit mit Unterstützung der Jugendwerkstatt Betriebspraktika durchlaufen oder sich auf einen Ausbildungsplatz bewerben. Außerdem stellte Geschäftsführer Torsten Reinhardt das Profil und die Aufgabenbereiche des Vereins vor. Begleitet wurde der Austausch von den pädagogischen Betreuern Petra Mumme und Jürgen Schwarz sowie den Vorsitzenden des Vereins Margarete Petersein und Claudia Brinkmann-Weiß. Auch die stellvertretende Dekanin für den Kirchenkreis Hanau, Ines Fetzer, war vor Ort.
Carsten Tag erklärte im Gespräch mit den Jugendlichen zunächst sein Aufgabengebiet: „In Zusammenarbeit mit den Landeskirchen setze ich mich für mehr Gerechtigkeit im Bildungsbereich ein. Dafür führe ich auf der politischen Ebene Gespräche. Es ist großartig, dass wir heute ins Gespräch kommen. Denn so kann ich besser verstehen, wo euch der Schuh drückt und was eure Situation besser machen würde.“ Die Jugendlichen antworten mit konkreten Verbesserungsvorschlägen. So solle zum Beispiel das Praktikum besser bezahlt werden, die Fahrt mit dem Bus sollte kostenlos sein und grundsätzlich wünschen sich die Jugendlichen „mehr Aufmerksamkeit. Bessere Schulen. Mehr Hilfe, einen Ausbildungsplatz zu finden.“ Eine junge Frau erzählt zum Beispiel, sie habe nur Absagen bekommen.“
Die weitere Diskussion mit Carsten Tag entfaltete sich im Wesentlichen an den Punkten Finanzierung der Einrichtungen, Nachsteuerung im Bildungsbereich und Vorbereitung auf die Ausbildung. Die vergleichsweise gute Gehaltsstruktur und Bezahlung nach Tariflohn führten zu einem Dilemma. Einerseits sei man als Arbeitgeber attraktiv, – auf die letzte Stellenzeigen seien 50 Bewerbungen eingegangen - andererseits stehe man im Wettbewerb mit anderen Anbietern. „Wir wären gerne Ausgaben- und nicht Pauschalfinanziert.“, appellierte daher Margarete Petersein, um auf die schwierige Situation hinsichtlich der Refinanzierung hinzuweisen. Sie stimmte mit Torsten Reinhardt darin überein, dass sich durch die Pandemie die Situation für viele Schülerinnen und Schüler weiter verschlechtert habe. „Es gab kaum Praktika in den Betrieben. Dies hat insbesondere unsere Zielgruppe getroffen.“, sagte Reinhardt. Auch habe das Bildungsniveau gelitten, hier sei eine Nachsteuerung unbedingt erforderlich. Eine Fortbildung im Bereich Digitalisierung habe man zugunsten von Basiswissen und Sprachkursen zurückgestellt.
„Das war ein wichtiger und sehr informativer Besuch. Ich bin beeindruckt von der Vielfalt, der Kompetenz und dem Engagement der Menschen in der Jugendwerkstatt. Ich habe viele Erfolgsgeschichten gehört, wie Jugendliche durch die Qualifizierungs-, Bildungs- und außerschulischen Angebote gefördert werden. Es ist wichtig, dass wir allen Jugendlichen eine Chance für den Arbeitsmarkt geben können. Zugleich ist es ein wichtiger Schritt, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Ein herzliches Dankeschön an alle, die hier so viel bewegen“, sagte Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, zum Abschluss.
Die Jugendlichen, die ebenfalls „bessere Schulen“ einforderten, sind inzwischen einen Schritt weiter. Drei haben nach einem einjährigen Praktikum einen Ausbildungsvertrag unterschrieben: Sie wollen Verkäuferin, Altenpflegerin und Rechtsanwaltsgehilfin werden. Eine junge Frau steht noch ganz am Anfang ihrer Suche, sie ist erst vor zwei Wochen neu zur Jugendwerkstatt gestoßen.
Hintergrund
Die beiden Einrichtungen Jugendwerkstatt Hanau e. V. und „Pilot“ – evangelische Fachstelle Jugendberufshilfe - richten sich mit ihren Angeboten insbesondere an Jugendliche, die das derzeitige Beruf- und Ausbildungssystem benachteiligt oder ausschließt. Jugendliche können sich jederzeit und unkompliziert an die Mitarbeitenden wenden. „Wir sind da, wo die Jugendlichen sind“, beschreibt Petersein die Haltung der Einrichtungen. Zurzeit beraten und unterstützen 18 Mitarbeitende Jugendliche in der Region Main-Kinzig. Sie bieten unter anderem Berufswegeplanung an Schulen und Jugendzentren, sie begleiten Schulklassen und beraten in Seminaren und Kursen die Jugendlichen individuell. Im Übergang Schule – Beruf werden die Jugendlichen bei der Berufswahl, der Suche nach einem Praktikum bzw. einem Ausbildungsplatz persönlich unterstützt. Hohe Professionalität, langjährige Kooperationen mit Einrichtungen, Unternehmen und Schulen und die Entwicklung von Netzwerken sind entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Arbeit. Seit 1985 besteht beispielsweise eine enge Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Stiftung im Bereich der Altenhilfepflege und Altenpflege. Pilot und Jugendwerkstatt kooperieren eng mit zwei beruflichen Schulen und Gesamtschulen. Im Auftrag der Stadt Hanau beraten die Mitarbeitenden als „hanauer joblotsen“ im Jugendzentrum Hans Böckler.