Theologischer Impuls zum Diakoniesonntag und Weltkindertag am 20. September

Uwe Seibel

„Gebt den Kindern das Kommando / Sie berechnen nicht, was sie tun / Die Welt gehört in Kinderhände“, hat Herbert Grönemeyer Mitte der 80er Jahre in dem Lied „Kinder an die Macht“ gesungen.

Am 20. September 2020 fällt der Diakoniesonntag mit dem Weltkindertag zusammen. Zudem wird die UN-Kinderrechtskonvention dieses Jahr 30 Jahre alt. Deshalb ist es gut, am Diakoniesonntag den Blick noch stärker als sonst auf die Kinder zu lenken. Mir geht es aber nicht darum, ob das Lied von Grönemeyer für die Realität taugt oder ob Kinder besser geeignet wären, die Welt gerechter und friedlicher zu gestalten als wir Erwachsene.

Im Gegenteil: Ich finde, wer so denkt, hat schon ein Armutszeugnis über unsere Verantwortung als Erwachsene ausgestellt. Wir sind diejenigen, die auf Kosten dieser und der nachfolgenden Generationen leben und wirtschaften. Unsere Kinder und Kindeskinder müssen die Suppe auslöffeln, die wir angerichtet haben. Das hat die Fridays for Future – Bewegung uns Erwachsenen in beschämender Weise deutlich gemacht.

Jetzt ist es einfach, an dieser Stelle wohlfeile Forderungen nach einer gerechten Um-Verteilung, nach einem System-Wechsel zu formulieren. „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ war die Kernformel, ebenfalls wie Grönemeyers Lied schon in den 80ern auf der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver aufgestellt.

Ist es naiv, zu sagen, wie erschreckend aktuell diese Formel ist? Oder wie wenig davon Wirklichkeit geworden ist?

Vielleicht ja, vielleicht ist es auch falsch, so zu tun, als ob davon nichts Realität geworden wäre. Das friedliche Aufbegehren der Menschen in der DDR 1989 ist für mich ein Beispiel für Gerechtigkeit und taugt in diesen Tagen auch den Menschen in Belarus als Vorbild.

Beim Propheten Jesaja heißt es: „Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei dir den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Ihre Kinder sollen auf dem Arme getragen werden und auf den Knien wird man sie liebkosen. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ In dieser Vision stehen Kinder als Indikator für Frieden und Sicherheit im Fokus: Zwar werden zu allen Zeiten Kinder – trotz aller Anstrengungen von Vätern – in erster Linie von ihren Müttern getragen, aber hier ist ein allgemeines Tragen von Kindern angedeutet, das die Interpretation zulässt, dass alle, also eine Gesellschaft, Kinder tragen, unterstützen, versorgen, schützen und ihnen eine Zukunft eröffnen soll. Das Bild von Kindern, die auf Armen getragen und auf Knien liebkost werden, ist ein Merkmal des Friedens ohne jegliche Bedrohung, ohne Krieg, ohne Flucht, ohne Hunger, ohne Not.

Dafür machen sich auch die Artikel der UN-Kinderrechtskonvention stark.
Die Verantwortung liegt also bei uns Erwachsenen, immer noch und überhaupt.
Übrigens: Letztes Jahr kamen 80 Kinder aus Kindertagesstätten und Grundschulen in Hofgeismar zur ersten Kindersynode zusammen. Eine ihrer Forderungen war: witzigere Predigten. Also vielleicht doch: Gebt den Kindern das Kommando?

Amen

Uwe Seibel, Referent für Gemeinwesenarbeit/Allgemeine Sozialarbeit in der Diakonie Hessen