Deutschland schaut gespannt auf den 16. März: Ab diesem Tag gilt in Krankenhäusern, Einrichtungen der Eingliederungshilfe, Alten- und Pflegeheimen sowie bei mobilen Pflegediensten die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Die Mitarbeitenden dieser Dienste müssen dann nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Wir haben mit unserer Expertin Dagmar Jung, Leiterin der Abteilung Gesundheit, Alter, Pflege der Diakonie Hessen, darüber gesprochen, was das für die Altenhilfe- und Pflegeorganisationen und ihre Klient*innen bedeutet und wie die Diakonie Hessen sich darauf vorbereitet.
1. Wie ist die Situation in den Mitgliedseinrichtungen der Diakonie Hessen?
Wir werden ab dem 9. März eine digitale Umfrage unter den Mitgliedern aus dem Pflegesektor starten, die von der neuen Regelung betroffen sind, so dass wir bis 14. März die Daten auf dem Tisch haben sollten. Bis dahin liegen uns noch keine aussagefähigen und aktuellen Zahlen vor, schließlich haben die Mitarbeitenden bis zum Stichtag am 15. März Zeit, ihre Nachweise zu erbringen. Aus Pflegeheimen haben wir Informationen über sehr hohe Impfquoten im Bereich der Pflege, teilweise bis zu 100 Prozent. Etwas geringer, aber trotzdem hoch scheint sie bei Hilfskräften und in der Hauswirtschaft zu sein. Eine weniger beachtete Gruppe, die die Pflegeeinrichtungen unterstützt, sind die Freiwillig Engagierten. Hier hat es bereits einige Fälle gegeben, wo diese ankündigen, ihr Engagement aufgrund der Impfpflicht nun einstellen zu wollen. Weniger Informationen haben wir derzeit über die Impfsituation in der häuslichen, d. h. der ambulanten Pflege. Wir wissen von Pflegediensten mit Impfquoten von 100 Prozent, erhalten aber auch Signale, dass mancherorts deutlich geringere Impfbereitschaft zu verzeichnen ist.
2. Rechnen Sie nach dem 15. März in Ihren Einrichtungen mit einem Personalnotstand?
Wir gehen nicht davon aus, dass überall in unseren Mitgliedseinrichtungen ab Mitte März der Personalnotstand ausbricht. Schließlich dürfen alle nicht geimpften Beschäftigten so lange weiterarbeiten, bis die Gesundheitsbehörden die Nachweise geprüft und dann gegebenenfalls individuelle Betretungs- bzw. Beschäftigungsverbote ausgesprochen haben. Bei der vorhandenen Personaldecke in den Gesundheitsämtern und deren eigentlichen Aufgaben sowie den Tausenden von Nachweisen rechnen wir hier nicht mit schnellen Verboten und beschleunigten Verfahren bzw. einer Kündigungswelle. Derzeit sehen wir deshalb auch keine unmittelbar dramatische Lage auf uns zukommen.
3. Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Mitarbeitenden in den betroffenen Einrichtungen?
Natürlich ist bei vielen Beschäftigten eine Anspannung zu spüren. Seit Wochen gibt es bei einer Reihe von Pflegeorganisationen durch die sich schnell verbreitende Omikron-Variante und entsprechender Ergebnisse der obligatorischen Tests immer wieder Impfdurchbrüche. Auch symptomlose Beschäftigte müssen in Quarantäne, fallen aus – und das bei ohnehin chronisch dünner Personaldecke.
4. Welche Maßnahmen ergreifen sie, um einen Notstand zu verhindern?
Unsere Mitgliedseinrichtungen setzen seit Pandemiebeginn wirklich alles in Bewegung, um ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen und zu verhindern, dass sie Personal verlieren. Zum einen beraten und motivieren die Träger der Einrichtungen ihre Mitarbeitenden weiterhin, sich impfen zu lassen. Zum anderen schließen sie etwa Personal-Leasingverträge ab oder planen für Schichten insgesamt mehr Personal ein, um kurzfristige Ausfälle kompensieren zu können.
5. Wie steht die Diakonie Hessen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht?
Wir sind der Meinung, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht ein richtiger Schritt ist, um die Beschäftigten in unseren Mitgliedseinrichtungen genauso wie die zu Hause Versorgten oder in Pflegeheimen lebenden Menschen gleichermaßen zu schützen. Gleichzeitig rufen wir die Politik dazu auf, unseren Einrichtungen und ihren Beschäftigten die Umsetzung einer Impfpflicht und deren Folgen nicht alleine aufzubürden. Wir erwarten einheitliche und nachvollziehbare Maßstäbe des öffentlichen Gesundheitsdienstes bei der Umsetzung der Prüfaufgaben.
Weil wir aber a l l e eine gesellschaftliche Gesamtverantwortung für die Bewältigung der Pandemie haben, plädiert die Diakonie auch für eine allgemeine Impfpflicht.