Die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen stellt nicht nur ein wesentliches Grundrecht zu einer selbstbestimmten Lebensführung dar (siehe auch UN-Behindertenrechtskonvention), gelingende und umfassende Maßnahmen der Sexualpädagogik sind unumstrittene Anteile von Präventionsarbeit vor sexualisierter Gewalt.
Sexuelle Selbstbestimmung war noch bis in die 1970er Jahre ein umstrittenes Thema in der Behindertenhilfe. Pädagogische Zielsetzung war, eine sexuelle Verhinderung oder die Ablenkung von sexuellen Wünschen.
Heute legt die Behindertenrechtskonvention die rechtlichen Grundlagen zur Förderung und Unterstützung einer lebensweltorientierten sexuellen Aufklärung und einer selbstbestimmten Sexualität fest.
1. Recht auf sexuelle Selbstbestimmung
2. Recht auf Partnerschaft, Ehe, Familie und Elternschaft
3. Recht körperliche Unversehrtheit und Gesundheit
4. Schutz vor sexualisierter Gewalt
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hebt durch die die Einführung der ICF* in die Behindertenhilfe (SGB IX §2; §99) die Wichtigkeit der sexuellen Gesundheit hervor und erachtete die Realisierung der Rechte als zentralen Standpunkt für die allgemeine Gesundheit, unabhängig von der Funktionsfähigkeit oder Krankheit eines Menschen. Sexuelle Gesundheit ist untrennbar mit Gesundheit insgesamt und unmittelbar mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden. Sexuelle Gesundheit setzt eine positive und respektvolle Haltung zur Sexualität und sexuellen Beziehungen voraus sowie die Möglichkeit, angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen zu machen, und zwar frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt. Sexuelle Gesundheit lässt sich nur erlangen und erhalten, wenn die sexuellen Rechte aller Menschen geachtet, geschützt und erfüllt werden (WOH 2019).
Für die Eingliederungshilfe stellten deshalb Konzepte und einzelne Ideen zur Schaffung sexualfreundlicher Strukturen, die die sexuelle Selbstbestimmung aller Bewohnerinnen und Bewohner in Institutionen der Eingliederungshilfe unterstützen eine wesentliche Rolle dar.
Träger der Eingliederungshilfe sind deshalb gefordert sich fortzubilden, um angemessen auf die Bedarfe der Menschen mit Behinderungen reagieren zu können. Die inhaltlichen und strukturell vielfältigen Anforderungen an dieses Feld sowie die komplexen innerpsychischen Prozesse in der Eingliederungshilfe, machen deutlich, dass Unterstützung und Entwicklungsperspektiven für Mitarbeitende notwendig sind.
Grundlagen zu sexueller Selbstbestimmung, Leitlinien für eine gelingende sexuelle Selbstbestimmung und Materialien für die Eingliederungshilfe bietet die Veröffentlichung des Projektes ReWiKs. Das von der Bundeszentrale der gesundheitlichen Aufklärung geförderte Projekt wird über die Diakonie Hessen im Rahmen einer Kooperation unterstützt.
*Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit sind in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (International Classification of Functioning, Disability and Health - ICF) klassifiziert.