Internationaler Tag zur Beseitigung der Armut am 17. Oktober

Armut ist für die Betroffenen eine tägliche Auseinandersetzung mit einem für andere unsichtbaren Gegenüber: Sie verhindert Zugang und Teilhabe in vielen Lebensbereichen. Es ist unsere Pflicht, gemeinsam für eine Gesellschaft ohne Armut einzutreten.

 

Wann ist jemand arm?

Der gängige Begriff, um „Armut“ in Wohlstandsgesellschaften zu messen, ist der der relativen Armut, d.h. jemand ist arm, relativ gesehen zum Wohlstand der Gesellschaft. Die gängige Kenngröße ist die sogenannte Armutsrisikoschwelle, die bei 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Nettoeinkommens liegt. Personen, deren Einkommen darunter liegt, gelten als einkommensarm. Die Armutsquote, also der Anteil der Bevölkerung, auf den dies zutrifft, liegt in Deutschland laut Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder derzeit (2023) bei 16,6 Prozent, in Hessen bei 17,3 Prozent und in Rheinland-Pfalz bei 17,1 Prozent. Überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen sind beispielsweise Alleinerziehende mit ihren Kindern (41 Prozent in Deutschland), Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (35,5 Prozent) oder erwerbslose Personen (50,7 Prozent).


Quellen:
Statista: Armutsgefährdungsquote in Deutschland nach Bundesländern im Jahr 2023, erschienen September 2024
Bundeszentrale für politische Bildung: Ausgewählte Armutsgefährdungsquoten, erschienen August 2024

Armut und Alleinerziehende

Alleinerziehende Familien sind in Hessen mit 43,5 Prozent die am stärksten von Armut betroffene Familienform. Dies zeigt ein 2024 erschienenes Faktenblatt „Alleinerziehende in Deutschland“ von der Bertelsmann-Stiftung mit aktuellen Zahlen zur Situation von alleinerziehenden Familien. Demnach sind rund 700.000 von ihnen, also 41 Prozent, deutschlandweit einkommensarm.

Zuletzt hatte sich auch der 3. Landessozialbericht intensiv mit dem Schwerpunktthema Alleinerziehende in Hessen beschäftigt und wichtige Gründe für das hohe Armutsrisiko von Alleinerziehenden benannt. Zentral ist dabei die hohe Belastung durch die alleinige Sorgearbeit für die Kinder. Das macht es für sie – in 85 Prozent sind es die Mütter – häufig nicht möglich, in Vollzeit zu arbeiten. Nicht selten fehlt auch eine verlässliche Kinderbetreuung, gerade in Randzeiten oder während Dienstreisen.

Die aktuellen Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zeigen zudem: Hessen gehört bundesweit zum unteren Drittel und steht (noch) schlechter da als der Durchschnitt der Republik. Das darf so nicht weitergehen. Der Anfang ist von der aktuellen Landesregierung schon gemacht. In ihrem Koalitionsvertrag sind bereits gute Ansätze festgehalten: So zum Beispiel der Ausbau von Kinderbetreuung in Randzeiten, die Förderung von Eltern-Kind-Kur-Kliniken, um sich auch ausreichend erholen zu können oder die Unterstützung von haushaltsnahen Dienstleistungen. Nun gilt es, diese Ideen auch in die Praxis umzusetzen. Wir brauchen eine verlässliche Infrastruktur und eine finanzielle Entlastung, die Alleinerziehende in allen Lebenslagen unterstützt. Auch der angekündigte Landesaktionsplan Armut sollte Alleinerziehende besonders in den Blick nehmen. Den Erkenntnissen aus dem letzten Landessozialbericht, der den Schwerpunkt auf Alleinerziehende hatte, müssen nun konkrete Taten folgen.

Quellen:
Bertelsmann-Stiftung: Factsheet Alleinerziehende in Deutschland, erschienen Juni 2024
3. Landessozialbericht der Hessischen Landesregierung, S. 241 ff., erschienen Dezember 2022

Kinderarmut in Hessen

Kinder und Jugendliche sind in Deutschland – einem der reichsten Länder der Welt – noch immer überdurchschnittlich von Armut betroffen. In Hessen zeigen die Ergebnisse des Mikrozensus 2022 einen besorgniserregenden Anstieg der Armutsgefährdungsquote bei Minderjährigen. Während im Jahr 2015 noch 18,2 Prozent der Minderjährigen als armutsgefährdet galten, stieg dieser Wert bis 2022 auf 23,7 Prozent. Dies entspricht einem Anstieg von 5,5 Prozent. Zum Vergleich: Im bundesweiten Durchschnitt betrug der Anstieg der Armutsgefährdungsquote bei Minderjährigen im gleichen Zeitraum 2,1 Prozent. Allerdings deuten die Erstergebnisse des Mikrozensus 2023 in Hessen auf eine Reduzierung der Armutsgefährdungsquote um 0,7 Prozent hin.

Die Auswirkungen von Armut auf die soziale Teilhabe und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen können erheblich sein. Das Erleben von Ausgrenzung und Stigmatisierung kann erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben und somit langfristig ihre Entwicklung beeinflussen. Ebenso müssen die Folgen von Armut auf die psychosoziale Gesundheit der Eltern und deren Erziehungsfähigkeit im Hinblick auf das Wohl des Kindes berücksichtigt werden. Somit ist der pädagogische Unterstützungsbedarf von in Armut lebenden Familien höher, um eine „Vererbung“ bzw. intergenerationale Weitergabe von Armut zu verhindern. Ein wesentlicher Baustein hierfür könnten sog. Armutspräventionsketten sein, die es bislang in einigen hessischen Pilotkommunen gibt. Diese lokalen Vernetzungsstrategien bringen alle relevanten Fachpersonen zusammen und sorgen für die Begleitung und Unterstützung von Kindern und deren Familien im gesamten Entwicklungsverlauf von der Geburt bis zum Übergang von der Schule in den Beruf. Auch eine stärkere Sensibilisierung von Erzieher*innen und Pädagog*innen für Formen und Folgen von „versteckter“ Kinder- und Familienarmut ist wichtig.

Um die finanzielle Situation von Kindern und Jugendlichen nachhaltig zu verbessern, sind zudem weitere strukturelle Veränderungen durch politische Maßnahmen erforderlich. Dazu gehören unter anderem die Einführung einer armutsfesten Kindergrundsicherung, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sowie kostenfreies Mittagessen in Schulen oder Hort.

Alle Kinder sind gleich viel wert und verdienen deshalb ein chancengerechtes Aufwachsen!


Quellen:
Statistisches Bundesamt: Mikrozensus 2022, erschienen 2023

Ganz konkret geht es darum, dass Ansätze und Instrumente entwickelt werden, wie Teilhabe an der sozial-ökologischen Transformation für alle Menschen möglich ist. Dazu gehört zum Beispiel die Formulierung eines ökologischen Existenzminimums, das z.B. über progressive Teuerung von Mobilitätsenergie dafür sorgt, dass soziale Ungleichheit nicht noch weiter zunimmt. Praktische Beispiele unserer eigenen Arbeit sind Tafeln und Sozialkaufhäuser. Hier wird einerseits darauf geachtet, dass wertvolle Ressourcen wie Lebensmittel nicht unnötig verschwendet werden oder Güter, die noch gebraucht werden könnten, dem Warenkreislauf durch Instantsetzung wieder zugeführt werden. Andererseits haben Menschen mit wenig Einkommen die Möglichkeit, günstig Lebensmittel und Gebrauchtwaren zu erhalten.  Auf diesem Weg soll sichergestellt werden, dass bei Klimaschutzmaßnahmen umfassende Teilhabe auch für Menschen mit geringem Einkommen gewahrt wird. Auch ein vergünstigtes Deutschlandticket für einkommensärmere Menschen (sowie höhere Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr) ist eine sinnvolle Maßnahme, die einerseits zur Verkehrswende beiträgt und andererseits die Mobilitätsteilhabe für Menschen mit kleinem Geldbeutel verbessert. In dem notwendigen Transformationsprozess, der die Schöpfung bewahrt, ein nachhaltiges Leben auf unserem Planeten ermöglicht und den gesellschaftlichen Zusammenhalt wahrt, müssen soziale und ökologische Fragen also noch viel stärker verknüpft werden. Beide sind Überlebens- und Gerechtigkeitsfragen. Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Produktion und Konsum müssen eine zukunftsfähige Umgestaltung erfahren, die die planetaren Belastungsgrenzen anerkennt und ohnehin schon benachteiligte Menschen nicht noch weiter in Armut und Ausgrenzung treibt – weder hier noch andernorts. 

Schulden - Selbst Schuld? - Armut und Lebenskrisen

Vielen denken immer noch, dass verschuldete Menschen selbst schuld an ihrer Finanzmisere sind: was müssen sie sich auch das neueste Smartphone und die teuersten Klamotten kaufen oder einen langen Urlaub buchen, den sie sich nicht leisten können. Dieses unangemessene Konsumverhalten kommt zwar vor, war aber noch nie der Hauptgrund für eine existenzbedrohende Überschuldung. Die Coronapandemie hat es gnadenlos gezeigt: Arbeitslosigkeit erfasste auf einmal ganze Branchen wie Gastronomie, Tourismus oder den Kultur- und Eventbereich.

Aber selbst Personen in vermeintlich sicheren Arbeitsverhältnissen wie der Luftverkehrsbranche waren plötzlich mit Kurzarbeit oder gar Kündigung konfrontiert. Schlagartig verringerten sich die finanziellen Möglichkeiten und wer eine hohe Miete zahlte, einen Kredit bediente oder seine studierenden Kinder unterstützte, sah sich plötzlich mit Forderungen konfrontiert, die er nicht mehr bezahlen konnte. Dann kamen noch Inflation und steigende Preise dazu. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kam die Verschuldung im Mittelstand an und war kein Randphänomen mehr. Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Unfall, prekäre Arbeitsverhältnisse, Trennung oder Tod des Partners oder eine gescheiterte Selbstständigkeit sind immer noch die Hauptauslöser einer Verschuldung und haben nichts mit persönlich vorwerfbarer „Schuld“ zu tun. Eine solche Lebenskrise kann jeden treffen.  

Was allerdings richtig ist: bei der finanziellen Bildung ist noch Luft nach oben. Das alltägliche Leben ist nicht nur teurer, sondern auch komplizierter geworden und es besteht immer ein Ungleichgewicht zwischen dem einzelnen Menschen auf der einen und dem Handel, den Banken und Dienstleistungsunternehmen auf der anderen Seite. Der Verbraucherschutz hat in den letzten Jahrzehnten zwar Fortschritte gemacht, aber grundlegendes Finanzwissen ist unerlässlich, um von unserer Marktwirtschaft als Individuum zu profitieren.  Auch das ist ein wichtiger Teil der Schuldnerberatung.

Zahlen, Daten, Fakten:

Im Jahr 2023 waren 5,65 Mio. Personen in Deutschland überschuldet. Der wichtigste Überschuldungsgrund ist nach wie vor die Arbeitslosigkeit mit fast 19 Prozent, gefolgt von Erkrankung/Sucht/Unfall mit 17,9 Prozent und unwirtschaftliche Haushaltsführung mit 16,4 Prozent.

Ein beunruhigender Trend zeigt sich bei den prekären Arbeitsverhältnissen: der Anteil der Niedriglohnempfänger hat sich seit 2016 (5,6 Prozent) bis 2023 (11,6 Prozent) mehr als verdoppelt.


Quellen:
Statistisches Bundesamt: Die Folgen der Corona-Pandemie in 10 Zahlen, erschienen März 2021
Creditreform Wirtschaftsforschung: SchuldnerAtlas Deutschland 2023 ­– Rückkehr der Überschuldung, erschienen November 2023

Armut und Wohnen

Wohnst du noch oder verzweifelst du schon? Die Wohnungssituation in Hessen spitzt sich weiter zu: Seit Jahren werden zu wenige Sozialwohnungen gebaut, gleichzeitig laufen Preisbindungen von Wohnungen aus, lange Leerstände sind noch immer nicht erfasst. Im Vergleich zu 2023 ist die Zahl der wohnungslosen und als solche erfassten Menschen in Hessen gemäß der hessischen Landesstatistik um 13,82 Prozent gestiegen. Damit sind in Hessen offiziell insgesamt 25.785 Menschen wohnungslos. Viele Menschen in Hessen suchen verzweifelt bezahlbaren Wohnraum. Oft bleibt diese Suche jedoch erfolglos. Und wer einmal in einer Notunterkunft angekommen ist, findet mit dem Stigma der Wohnungslosigkeit noch schwerer eine neue Wohnung. 

Wohnungslosigkeit zieht sich mittlerweile durch alle Altersgruppen. So leben immer mehr alte Menschen sowie Kinder und Jugendliche in Notunterkünften.

Es darf nicht sein, dass in einem nach wie vor wirtschaftlich gut aufgestellten Land wie Hessen, insbesondere alte Menschen und Familien mit Kindern nicht ausreichend vor Wohnungslosigkeit geschützt werden. Zudem sind die vorhandenen Notunterkünfte nicht auf die spezifischen Bedürfnisse von alten Menschen und Familien ausgerichtet. Oft helfe es schon, die Menschen frühzeitig zu informieren und ihnen entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Alte und junge Menschen fallen aus dem Raster

Etwa 2.200 Menschen (knapp 10 Prozent), die in den Notunterkünften leben, sind im Rentenalter. Das sind doppelt so viele wie noch 2022. Menschen jenseits der 60 Jahre haben besonders Probleme eine Wohnung zu finden. Der Übergang vom Erwerbseinkommen in die Rente ist oft mit finanziellen Einbußen verbunden, verschärft wird dies zusätzlich durch gesundheitliche Probleme. Einsamkeit und falsche Scham hindern an der Suche nach Unterstützung. Kommt dann nach ausbleibenden Mietzahlungen die Kündigung der Wohnung, wissen viele nicht weiter. Die Menschen schämen sich und suchen erst Hilfe, wenn es zu spät ist. Doch die sozialen Angebote und Einrichtungen für wohnungslose Menschen sind nicht auf die Bedürfnisse alter und gesundheitlich eingeschränkter Menschen ausgerichtet. Ihnen fehlt es an einer entsprechenden Ausstattung. Sozialarbeitende sind kein Pflegepersonal. Und wer auf einen Rollator angewiesen ist, kann nicht in einem Stockbett schlafen. Dies sieht der Gesetzgeber jedoch anders. Wer bereits in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, fällt aus dem Raster. 38 Prozent der wohnungslosen Menschen in Hessen sind unter 25 Jahren. Viele von ihnen hatten noch nie eine eigene Wohnung und kommen selten aus stabilen (Wohn-)Verhältnissen. Bezahlbarer Wohnraum und Wohnungen, die groß genug sind für Familien und ein lebenswertes Umfeld bieten, sind gerade in Ballungsräumen kaum zu finden. 7.280 Kinder und Jugendliche leben mit ihren Eltern regelhaft in – nicht immer vorbildlich ausgestatteten – Notunterkünften. Notunterkünfte sind kein Zuhause und schon gar kein Ort für Kinder. Hier kommen die unterschiedlichsten Menschen mit den verschiedensten Lebensgeschichten zusammen, teilen sich Bäder und Räume. Die Familien leben nicht nur auf engstem Raum, ihnen fehlt es überdies noch an vielen anderen Dingen, die lebensfähig machen – wie Platz zum Spielen, einen ruhigen Ort zum Hausaufgabenmachen oder Lesen. Kinder und Jugendliche brauchen ihre Privatsphäre und Platz, sich zu entfalten.

 

Wissenswertes:

Wohnungslos ist, wer nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum (oder Wohneigentum) verfügt.
Asylbewerber bzw. untergebrachte Personen in den Gemeinschaftsunterkünften zählen NICHT dazu.

Straßenobdachlosigkeit und verdeckte Wohnungslosigkeit (Übernachten bei Freunden/Familie, in Gartenhäuschen usw.) sind ebenfalls ich den Zahlen nicht erfasst. Forschung der GISS (Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V.)  geht von ca. 37.000 Menschen bzw. 49.000 Menschen aus. Die hessische Landesregierung hat eine Begleitforschung in Auftrag gegeben. Die Auswertung wird Anfang 2025 veröffentlicht.
 

Quellen:
Statistisches Bundesamt: Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen, erschienen 2023 (eigene Berechnungen)
BAG Wohnungslosenhilfe e.V.: Wohnungsnotfalldefinition, erschienen April 2010
Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V.: Erstmals Wohnungslose ohne Unterkunft und Menschen in verdeckter Wohnungslosigkeit gezählt, erschienen September 2022

3. Preisschwankungen
Die Preise für Lebensmittel können je nach Saison und Verfügbarkeit stark schwanken. Ein festes Budget lässt wenig Spielraum für solche Schwankungen, was die Planung und den Einkauf erschwert.

4. Zusätzliche Kosten
Neben den reinen Lebensmittelkosten gibt es auch andere Ausgaben wie Transport zum Supermarkt, Energie zum Kochen und eventuell notwendige Nahrungsergänzungsmittel, die das Budget weiter belasten.

5. Gesundheitliche Auswirkungen
Eine unzureichende Ernährung kann langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen, die wiederum zusätzliche Kosten verursachen. Dies kann einen Teufelskreis aus Armut und schlechter Gesundheit verstärken.

Armut und Ernährung sind eng miteinander verknüpft, da finanzielle Einschränkungen oft zu einer unzureichenden Versorgung mit gesunden Lebensmitteln führen. Menschen, die von Armut betroffen sind, haben häufig nicht die Mittel, um sich ausgewogen und nährstoffreich zu ernähren. Dies kann zu gesundheitlichen Problemen wie Mangelernährung, Übergewicht und chronischen Krankheiten führen.

1. Mangelernährung 
Ein Mangel an wichtigen Nährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen kann zu Mangelerscheinungen führen. Dies betrifft besonders Kinder, deren Entwicklung dadurch beeinträchtigt werden kann.

2. Übergewicht und Adipositas 
Auch wenn es seltsam klingt: Armut kann auch zu Übergewicht führen. Günstige Lebensmittel sind oft kalorienreich, aber nährstoffarm. Eine Ernährung, die hauptsächlich aus solchen Lebensmitteln besteht, kann zu Übergewicht und den damit verbundenen Gesundheitsproblemen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.

3. Chronische Krankheiten
Eine langfristig unzureichende Ernährung kann das Risiko für chronische Krankheiten erhöhen. Dazu gehören neben Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch Bluthochdruck und bestimmte Krebsarten.

4. Psychische Gesundheit
Die ständige Sorge um die nächste Mahlzeit und die Unsicherheit, ob genug zu essen da ist, können zu Stress und psychischen Belastungen führen. Dies kann Depressionen und Angstzustände verstärken.

In Deutschland spielen Tafeln eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Menschen in finanzieller Not. Diese gemeinnützigen Organisationen sammeln überschüssige Lebensmittel von Supermärkten, Bäckereien und anderen Betrieben und verteilen sie an Menschen, die von Armut betroffen sind. Oft können sich die Menschen nur durch die Tafel in Bedarf an Nahrungsmitteln decken. Die Inanspruchnahme von Tafeln zeigt deutlich, wie groß der Bedarf an Unterstützung ist. Viele der Nutzer*innen sind Alleinerziehende, Rentner oder Menschen mit geringem Einkommen, die trotz Arbeit nicht genug verdienen, um ihre Familien ausreichend zu versorgen. Die Tafeln bieten nicht nur eine kurzfristige Lösung, sondern auch eine Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen und Unterstützung in schwierigen Zeiten zu finden. Insgesamt verdeutlicht die Nutzung von Tafeln den Zusammenhang zwischen Armut und Ernährung. Sie zeigt, dass es in einer wohlhabenden Gesellschaft wie Deutschland immer noch viele Menschen gibt, die auf Hilfe angewiesen sind, um ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen. Die Arbeit der Tafeln ist daher von unschätzbarem Wert, um die Lebensqualität dieser Menschen zu verbessern und ihnen eine Perspektive zu bieten.

 

Armut und die Konsequenzen für das freiwillige Engagement

Sich freiwillig zu engagieren, bedeutet die Gesellschaft mitzugestalten, gemeinsam mit anderen und für andere etwas zu tun. Sei es im sozialen oder kulturellen Bereich, bei der Feuerwehr oder im Sportverein, um hier nur einige wenige Engagementmöglichkeiten zu nennen. Wer freiwillig tätig ist, engagiert sich für die Gemeinschaft und lebt demokratische Werte, ist Teil der Gesellschaft. Arm zu sein bedeutet, dass Menschen nicht die Teilhabemöglichkeiten haben, die in einer Gesellschaft als normal gelten. Über die materielle Situation hinaus erstreckt sich Armut auf alle Teilhabemöglichkeiten wie Bildung, Kultur, Sport, Geselligkeit, gesellschaftliche, politischer Teilhabe und das eben auch auf das damit verbundene freiwillige Engagement.

Manchmal zeigt sich die Armut in den unterschiedlichen Engagementfelder deutlich, wenn zum Beispiel die Zahl der Nutzer*innen der Tafeln ansteigt oder mehr Kinder am Mittagstisch der Arche teilnehmen. Ein anderes Mal ist sie verdeckt und man erkennt die Notlage armutsbetroffener Kolleg*innen im Sportverein gar nicht. Von Armut betroffen zu sein kann aus verschiedenen Gründen einen Rückzug aus dem Engagement bedeuten. Wenn zum Beispiel das Geld nicht reicht, Zusatzjobs notwendig sind und deshalb die Zeit für das Engagement fehlt. Weil Eltern mehr arbeiten müssen, Großeltern die Enkel betreuen und dadurch deren Vereinsarbeit hinten anstehen muss. Weil die Fahrkarte zum Einsatzort nicht mehr bezahlt werden kann oder das Bier und das Essen in der Kneipe nach der Vorstandssitzung zu teuer ist. Aber auch weil man sich den Vereinsbeitrag für die Kinder nicht mehr leisten kann. Oftmals schämen sich Menschen, die in Armut leben und ziehen sich dann lieber zurück.

Dies hat Konsequenzen für jeden einzelnen, wenn z.B. durch den Rückzug die sinnstiftende Tätigkeit aufgeben werden muss. Wenn die Kontakte weniger werden und man sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlt. Aber auch auf die Engagementbereiche hat dies Auswirkungen. Es gibt weniger Menschen, die sich betätigen, die Zeitbudgets werden kleiner und die Nachfrage nach Aufwandsentschädigungen steigen an. Menschen möchten sich nicht mehr langfristig an ein Engagementfeld binden, da eine zu große Unsicherheit herrscht. Schon vor der Corona Pandemie galt, je niedriger das Einkommen, desto seltener engagieren sich Menschen freiwillig. Doch ist durch die unterschiedlichen Krisen in den letzten Jahren auch die die Armut im Mittelstand angekommen und hat dort Konsequenzen für das freiwillige Engagement.

Neben den hemmenden Faktoren gibt es auch motivierende Faktor, so ist das Engagement in den existenzsichernden Bereichen wie den Tafeln, Kleiderkammern oder die spontane Hilfe in Notsituationen nach wie vor groß.

Folgen für die Freiwilligendienste

Eine besondere Form des gesellschaftlichen Engagements stellen die Freiwilligendienste dar: Für ein Jahr engagieren sich (meist) junge Menschen in einem Freiwilligen Sozialen Jahr, einem Bundesfreiwilligendienst oder einem Freiwilligen Ökologischen Jahr. Für Ihren Einsatz erhalten sie ein Taschengeld und einen Fahrtkostenzuschuss, in einzelnen Fällen wird ihnen eine Unterkunft gestellt. Doch leider ist das Taschengeld nicht existenzsichernd, Leistungen wie BAföG werden nicht gewährt und Vergünstigungen, die Auszubildende und Student*innen in vielen Bereichen erhalten, gelten für Freiwillige in den meisten Fällen nicht.

Damit sind die Freiwilligen auf finanzielle Unterstützung durch ihre Familien angewiesen. Im Klartext heißt das: Einen Freiwilligendienst muss man sich leisten können. Dies ist bei jungen Menschen aus ärmeren Familien meist nicht der Fall. Damit bleibt ihnen die Möglichkeit verwehrt, erste berufliche Erfahrungen zu sammeln, sich persönlich weiterzuentwickeln und sich beruflich zu orientieren. Auf der anderen Seite fehlen sie in den Einrichtungen, in denen die Klient*innen und Projekte von ihrem Engagement profitieren würden und die vielleicht sogar neue Nachwuchskräfte gewinnen könnten.

Armut und Reichtum

Wer von Armut spricht, darf auch zum Reichtum nicht schweigen, denn beides hängt miteinander zusammen. Schon Bertolt Brecht dichtete 1934 von diesem Zusammenhang: „Reicher Mann und armer Mann standen da und sah`n sich an. Da sagt der Arme bleich: Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“ So nimmt Deutschland mit einem Gini-Index von 0,83 für die Vermögensungleichheit im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein. Nach Schätzungen der Bundesbank besitzt das vermögendste Prozent der Deutschen im Jahr 2022 knapp ein Drittel (27,8 Prozent) des Gesamtvermögens, nach einer um die Vermögen der Superreichen ergänzten Haushaltsbefragung des sozioökonomischen Panels (SOEP-P) sind es sogar 35,3 Prozent.

Auf die ärmere Hälfte (!) der Bevölkerung in Deutschland entfallen laut neuesten Zahlen der Europäischen Zentralbank (EZB 2023) hingegen lediglich 2,3 Prozent des Gesamtvermögens. Studien rechnen zudem damit, dass sich diese Ungleichheit in Zukunft weiter verstärken wird.

Statt aber konsequent auf mehr Fairness in der Verteilung von Reichtum und Vermögen und eine gerechtere Besteuerung von Einkommen und Finanzerträgen hinzuwirken, begünstigen politische Entscheidungen viel zu oft diejenigen, die ohnehin viel besitzen. Ein aktuelles Beispiel sind die Pläne der Ampelregierung für die deutliche Anhebung des Kinderfreibetrags für einkommensreiche Familien, während das Kindergeld kaum erhöht werden soll. Schon jetzt, 2024, beträgt die maximale Entlastung für Gut- und Spitzenverdiener aufgrund der Freibeträge circa 368 Euro monatlich. Das Kindergeld hingegen lediglich 250 Euro monatlich.

Weiteres prägnantes Beispiel: Bis 1996 gab es in Deutschland eine Vermögenssteuer von einem Prozent, seitdem ist sie jedoch ausgesetzt. Die Nicht-Regierungsorganisation Oxfam hat ausgerechnet, dass allein bis Ende 2023 dadurch 380 Milliarden Euro in der Gemeinschaftskasse fehlten. Geld, das dringend benötigt wird für den Ausbau guter Bildungseinrichtungen, bezahlbaren ÖPNV, die Sanierung maroder öffentlicher Infrastruktur, für die gleichwertige Gesundheitsversorgung für alle Menschen usw.

Mindestens genauso bedenklich aber ist, dass gerade in diesen Zeiten klammer Staatskassen viel zu wenig über faire Lastenverteilung oder die Wiedereinführung der Vermögenssteuer gesprochen wird. Stattdessen findet ein zunehmender Abgrenzungsdiskurs „nach unten“ statt. Armutsbetroffene Personen werden in politischen und gesellschaftlichen Debatten stigmatisiert; Menschen, die auf soziale Sicherungsleistungen angewiesen sind, werden abgewertet und diffamiert. Gleichzeitig führen zunehmende Ungleichheit und Abstiegsängste bis hinein in die Mittelschicht zu einer Gefährdung demokratischer Grundwerte.

Wir haben einen anderen Vorschlag zur Armutsbekämpfung: Lasst uns über Reichtum reden!

Quellen:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Wochenbericht 29/2020, S.511 ff., erschienen 2020
BMWK: Vermögensungleichheit in Deutschland und Europa, erschienen März 2024
Oxfam: Vermögenssteuer. Keine Angst vor Steuerflucht, erschienen Juli 2024