„Mein Mann hat mich mit der Hundeleine geschlagen und anschließend gewürgt. Ich hatte Angst er bringt mich um“, erzählt Frau B., 22 Jahre, die mit ihrem zweiten Kind im 6. Monat schwanger ist, der Mitarbeiterin der Schwangerenberatung im Beratungszentrum des regionalen Diakonischen Werks Groß-Gerau/Rüsselsheim in Groß-Gerau.
Sie wird darauf hingewiesen, dass es im gleichen Haus eine Gewaltberatung für Männer gibt. Eine Woche später sitzt Herr B., 31 Jahre, bei dem Berater für Männer mit Gewaltproblemen und berichtet: „Wir haben uns gestritten. Ich wurde so wütend, dass ich meine Frau schwer beleidigt habe. Sie griff nach dem Locher auf dem Schreibtisch und warf ihn nach mir. Da habe ich rot gesehen und ihr die Hundeleine, die ich gerade in der Hand hatte, übergezogen. Als sie mich weiter anschrie, bin ich ihr an den Hals. Jetzt tut es mir leid, gerade weil sie schwanger ist. Doch ich habe mir nicht mehr zu helfen gewusst.“
Seitdem kommt Herr B. regelmäßig zur Beratung, um sein Gewaltproblem in den Griff zu bekommen. Zuerst werden Maßnahmen besprochen, damit es zu keinen weiteren Gewaltvorfällen mehr kommt. Weiter wird der oben beschriebene Vorfall genau rekonstruiert, damit Herr B. lernen kann, welche Gefühle ihn bewegten Gewalt anzuwenden und welche Alternativen es zur Gewaltausübung gibt. Dann wird noch das Streitverhalten des Paares analysiert. Streiten ist in Ordnung, doch die Frage ist, was kann Herr B. tun, damit es nicht wieder so eskaliert. Außerdem wird die Wirkung von Gewalt auf den 2-jährigen Sohn, der zwar im Nachbarzimmer war, besprochen. Das Kind hatte während der ganzen Zeit der Auseinandersetzung geschrien.
Gewalt ist stets mehr als der Schlag, mit dem man den anderen verletzt. Auch die Ausrede: „Mir ist die Hand ausgerutscht, weil ich Rot gesehen habe!“ ist weit verbreitet. Gewalt als Lösungsmodell bei Konflikten sitzt tief und zerschlägt oft nicht nur ein Leben sondern macht viele zu Opfern, im Beispiel nicht nur die Partnerin und der Sohn, sondern auch das Ungeborene. Der Täter ist ebenfalls Opfer seiner Gewalt.
„Jeder, der zuschlägt ist Täter!“
Die Polizeistatistik in Hessen liefert für 2012 hierzu eindeutige Zahlen: Es wurden 7.624 Fälle häuslicher Gewalt registriert, die von 5.645 männlichen und 898 weiblichen Tätern verübt wurden *1. Rund 84 Prozent der häuslichen Gewalt geht von Männern aus. Die Fallzahlen sind seit Jahren gleich, schwankend bzw. leicht ansteigend (2011 7562 Fälle; 2012 7624 Fälle = + 0,8%) *2 Die Bereitschaft diese Taten anzuzeigen ist gestiegen. Besonders in oberen Gesellschaftsschichten wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen, da dort wegen des gesellschaftlichen Status eher von einer Anzeige abgesehen wird als in sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen.
Viele Täter häuslicher Gewalt erleben sich selbst als ohnmächtig. Von Konflikten und Auseinandersetzungen zu Hause fühlen sie sich schnell überfordert. In ihrer Hilflosigkeit schlagen sie dann in einem emotionalen Stresszustand zu. Das macht sie zu Tätern und ist durch nichts zu rechtfertigen, auch wenn in der eigenen Biografie häufig Gewalterfahrungen vorgekommen sind.
Quellen:
*1 Polizeiliche Kriminalstatistik Hessen 2012, Email vom 31.05.13, Hess. Landeskriminalamt
*2 Polizeiliche Kriminalstatistik Hessen 2012, S. 7