Berlin, 2. Mai 2024 – Anlässlich der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgestellten Suizidpräventionsstrategie fordert die Diakonie Deutschland die Bundesregierung auf, die Suizidprävention verbindlich zu regeln und noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz vorzulegen.
Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch: "Mehr als 10.000 Menschen sterben jährlich durch Suizid. Bei Kindern und Jugendlichen ist es sogar die zweithäufigste Todesursache. Eine Strategie allein hilft Menschen mit Suizidgedanken nicht. Wir brauchen jetzt ein Gesetz, das die Infrastruktur für eine wirksame Suizidprävention schafft."
Um Menschen in Lebenskrisen besser zu erreichen, müssen bestehende Angebote gesichert und ausgebaut werden. Dazu zählt zum Beispiel die Telefonseelsorge, die rund um die Uhr für anonyme Gespräche bereitsteht, jedoch einen hohen Bedarf wahrnimmt, den sie nicht vollständig abdecken kann Ein weiteres wichtiges Angebot, das es bisher nur in drei Bundesländern gibt, sind psychiatrisch-psychosoziale Krisendienste für Menschen mit Suizidgedanken und anderen psychischen Krisen. Suizidgedanken und -wünsche treten vermehrt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie bei Menschen mit schweren Erkrankungen auf. Sie müssen auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Ein Suizidpräventionsgesetz muss die Förderung dieser unterschiedlichen Angebote regeln.
Das Suizidpräventionsgesetz muss aus Sicht der Diakonie Deutschland folgende Elemente umfassen:
• Ausbau von Beratung und Hilfe in akuten Krisen. Hier fordern wir die finanzielle Förderung der Telefonseelsorge und den Ausbau psychiatrisch-psychosozialer Krisendienste. Es ist entscheidend, dass Menschen in suizidalen Krisen rund um die Uhr Zugang zu relevanten Hilfsangeboten haben.
• Die Finanzierung zielgruppenspezifischer Angebote für junge, alte und kranke Menschen, darunter präventive Hausbesuche für Menschen ab 75 Jahren.
• Maßnahmen zur allgemeinen Bewusstseinsbildung und zur Aufklärung über Suizide und Suizidversuche sowie Hilfen für Menschen in akuten Krisen.
Suizidprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe Umfassende Suizidprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Eine wichtige Rolle spielt dabei, Verständnis zu wecken für Menschen, die aufgrund unterschiedlicher Problemlagen in suizidale Krisen geraten. Dazu gehören Informationen und Aufklärung über das Vorkommen von Suizidgedanken aufgrund von psychischen und physischen Erkrankungen oder seelischer, sozialer und ökonomischer Notlagen. Wir brauchen gesellschaftliche Debatten über unsere Vorstellungen, was gelingendes Leben bedeutet, über unsere Altersbilder und unser Verständnis von Selbstbestimmung, Autonomie, Fürsorge und Abhängigkeit. Hospizarbeit und Palliativversorgung tragen zur Suizidprävention bei. Daher ist es von großer Bedeutung, die Angebote in diesen Bereichen bekannter und für ein breiteres Spektrum der Gesellschaft zugänglich zu machen.
Suizidprävention und Suizidassistenz
Der Ausbau der Suizidprävention steht für die Diakonie Deutschland auch im Zusammenhang mit der Ermöglichung des assistierten Suizids durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020. Wenn Menschen in schwierigen Lebenssituationen nach einem assistierten Suizid verlangen, müssen sie zuerst Beratung und Hilfe zum Leben erhalten. Zu denken ist hier an Menschen, die durch Einsamkeit oder Scham unter hohem Leidensdruck stehen, sowie an Menschen, die überschuldet oder aus anderen Gründen verzweifelt sind, aber auch an schwer kranke Menschen, die sich z.B. mit Schmerzen allein gelassen fühlen.
Hintergrund
Am 06. Juli 2023 fanden die beiden Gesetzesentwürfe zum assistierten Suizid keine Mehrheit, wohingegen der Antrag "Suizidprävention stärken", der von einer parlamentarischen Gruppe um Dr. Kirsten Kappert-Gonther eingebracht wurde, mit 687 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme und 4 Enthaltungen angenommen wurde. Dies entspricht einer Zustimmung von 99,28 Prozent. In diesem Antrag wurde die Vorlage eines Konzeptes zur Finanzierung und Stärkung der Suizidprävention bis zum 31. Januar 2024 gefordert. Darüber hinaus wurde beschlossen, dass die Bundesregierung bis zum 30. Juni 2024 einen Gesetzesentwurf und eine Strategie zur Suizidprävention vorlegt, die Maßnahmen und Akteure koordiniert und eine dauerhafte sowie zeitnahe Umsetzung von Suizidpräventionsmaßnahmen in Deutschland sicherstellt. Der Gesetzentwurf soll dabei den Schwerpunkt auf die Prävention im Alltag der Menschen legen.
Weitere Informationen: https://www.diakonie.de/informieren/infothek/2023/juni/die-wuerde-der-sterbenden-debatte-zum-selbstbestimmten-sterben