Am 19. Februar jährte sich das Attentat in Hanau, bei dem ein Mann neun Menschen aus Einwandererfamilien, seine Mutter sowie sich selbst erschoss. Die Diakonie Hessen veranstaltet im Gedenken an die Tat von Hanau am 25. Februar 2021 zusammen mit anderen Partnern einen digitalen Fachtag (direkt zum Youtube-Livestream). Auch die beiden zugehörigen Kirchen und der Bundesverband der Diakonie blieben anlässlich der Gewalt von Hanau vor einem Jahr nicht still und gedenken an die Opfer.
Kirchenpräsident Volker Jung: Rassistischer Terror in der Mitte der Gesellschaft
Auch ein Jahr später ist es nach Worten von Volker Jung noch immer „schockierend, mit welch abgrundtiefer Menschenverachtung die Tat verbunden war“, so der Kirchenpräsident am Dienstag in Darmstadt. Hanau habe zudem gezeigt, dass rassistisch motivierter Terror „in der Mitte der Gesellschaft wächst“. Jung: „Rassismus vergiftet Gesellschaften. In Hanau und überall auf der Welt“. Die biblische Botschaft zeigt nach Ansicht Jungs einen Weg, wie Menschen zusammenleben können und sollen. „Gottes Geist will Menschen über alle Grenzen hinweg zu einer weltweiten Gemeinschaft miteinander verbinden“, so Jung. Christinnen und Christen seien dazu aufgerufen, „Gottes Liebe, die allen Menschen gilt, in dieser Welt zu bezeugen“. Deshalb hätten die Kirchen eine besondere Verantwortung, „aus dem Glauben heraus gesellschaftliche Ausgrenzung zu verhindern und jeder Form von Hass entgegenzutreten.“
Bischöfin Hofmann: „Das mutige Eintreten gegen Rassismus beginnt bei uns selbst“
„Erschüttert ist das Leben in dieser Stadt, erschüttert ist vor allem das Lebensgefühl der Menschen, die durch das Attentat am 19. Februar 2020 einen lieben Menschen verloren haben“, sagte Bischöfin Dr. Beate Hofmann während des Gedenkgottesdienstes der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck am 21. Februar. Auch im Predigttext (Johannes 13) ging es um Erschütterungen. Er erzählt von der Ankündigung Jesu, dass ihn einer seiner Freunde verraten wird und damit von dem, „was erschüttertes Vertrauen, was Verrat und Hass mit Menschen macht“, so Bischöfin Hofmann. Per Livestream wurde der Gottesdienst, der coronabedingt nur mit wenigen Besucherinnen und Besuchern stattfinden konnte, ins Internet übertragen. Das Video zum Gottesdienst und der vollständigen Predigt ist unter www.ekkw.de abrufbar.
Die christliche Kirche basiere auf der Vision, dass in Christus die Unterschiede, die Menschen voneinander trennen und zu Ungerechtigkeit führen, aufgehoben würden – „Unterschiede in Religion, Kultur, sozialem Status, Geschlecht“, erläuterte Bischöfin Hofmann unter anderem und ergänzte: „Das ist das Fundament, von dem aus wir als Kirche „offen für Vielfalt – geschlossen gegen Ausgrenzung“ werden können, das ist die Vision, auf die hin wir an Ängsten, an Vorurteilen, an rassistischen Denkmustern arbeiten können.“ Dabei reiche es nicht, offen für Vielfalt zu sein und an den eigenen Vorurteilen und Fremdheitsgefühlen zu arbeiten. „Angesichts von Verschwörungsdenken und Hasskommentaren im Internet „braucht es auch das andere: geschlossen gegen Ausgrenzung auftreten. Es braucht das gemeinsame Eintreten für Demokratie, für Zusammenhalt, es braucht Unterstützung für die, die eingeschüchtert werden“, betonte die Bischöfin. Kirche sei von Beginn an eine bunte Gesellschaft gewesen – Reiche und Arme, Europäerinnen und Asiaten, Juden und Griechen, Männer und Frauen: „In Christus wurden sie eins.“
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: Betroffene von rassistischer Gewalt nie alleine lassen
"Der terroristische Anschlag von Hanau lässt uns auch ein Jahr danach keine Ruhe. Wir alle müssen in unserem unmittelbaren Lebensumfeld aktiv dafür eintreten, dass endlich alle Bürgerinnen und Bürger wirkungsvoll vor rassistischer Gewalt geschützt sind. Betroffene von rassistischer Gewalt dürfen nie alleine gelassen werden. Zu der staatlichen Verantwortung gehört auch, zivilgesellschaftliche Initiativen und Projekte verlässlich zu fördern, die für Vielfalt und Menschlichkeit eintreten und gegen Rassismus und Intoleranz aufstehen. Die Diakonie steht wie viele andere mit zahlreichen Projekten für eine vielfältige und starke Zivilgesellschaft, in der jeder und jede ohne Angst verschieden sein kann. Sie bezeugt konkrete Solidarität mit Menschen, die von Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus betroffen sind. Eine Kultur der Toleranz und Wertschätzung von Vielfalt entsteht in einer immer diverseren Gesellschaft aber nicht von selbst. Neben Formaten und Orten der Begegnung, breiter Aufklärung und einer gesellschaftlichen Debatte muss der Gesetzgeber den Willen zu strukturellen Veränderungen auch im Grundgesetz deutlich machen. Der Begriff 'Rasse' im Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes gehört gestrichen und sollte durch 'rassistisch' ersetzt werden. Dies ist ein längst überfälliger Schritt weg von einem durch Nazi-Gedankengut aufgeladenen Rassebegriff."