Den Beschluss der hessischen Landesregierung, ein eigenes Landesaufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus Afghanistan aufzulegen, bezeichnen die Evangelischen Kirchen in Hessen und die Diakonie Hessen als einen „wichtigen Schritt“.
„Mehr als ein Jahr nachdem die Taliban die Macht in Afghanistan übernommen haben und mehr als 10 Monate seit dem Regierungswechsel gibt es noch immer kein funktionierendes Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Menschen aus Afghanistan. Umso wichtiger ist jetzt die Ankündigung des Landes Hessen, 1.000 von ihnen über ein eigenes Landesprogramm aufnehmen zu wollen“, sagte der Interkulturelle Beauftragte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und Leiter der Abteilung Flucht, interkulturelle Arbeit, Migration in der Diakonie Hessen, Andreas Lipsch.
Dankbar zeigte sich auch die Beauftragte für Flucht und Migration der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Anna-Sophie Schelwis: „Tausende Menschen in Afghanistan, die sich für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Bildung und Frauenrechte stark gemacht haben, sind dort akut vom Tod bedroht. Wir stehen in der Schuld dieser Menschen. Darum ist es ein wichtiges Signal, dass das Land Hessen jetzt Verantwortung übernehmen will.“
Zum Hintergrund: Als die Bundeswehr im August 2021 überstürzt aus Afghanistan abzog, ließ sie entgegen aller Versprechen viele Afghaninnen und Afghanen zurück, die in zwei Jahrzehnten für die Bundeswehr, deutsche Ministerien und Nichtregierungsorganisationen gearbeitet hatten. Seitdem wird in Berlin und den Bundesländern über Aufnahmeprogramme für die sogenannten Ortskräfte und andere Gefährdete verhandelt.
Einige Bundesländer wie Berlin, Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Thüringen haben bereits Landesaufnahmeprogramme. Nun soll auch Hessen dazukommen. Angekündigt wurde jetzt die Aufnahme von insgesamt 1.000 Menschen, die verwandtschaftliche Beziehungen nach Hessen haben. Voraussetzung soll u.a. eine Verpflichtungserklärung der in Hessen lebenden Angehörigen sein, dass der Lebensunterhalt gesichert ist, wobei Kosten für Krankheit, Geburt, Pflege oder Behinderung davon ausgeschlossen sein sollen.
Die Beauftragten hoben besonders hervor, dass das Aufnahmeprogramm nach aktuellen Informationen von einem weiten Familienbegriff ausgehe. Damit könnten zum Beispiel auch erwachsene Kinder oder Verwandte zweiten Grades berücksichtigt werden, die beim klassischen Familiennachzug regelmäßig ausgeschlossen sind.
Bevor das hessische Landesaufnahmeprogramm in Kraft treten kann, ist allerdings noch das Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium notwendig. „Wir hoffen und sind zuversichtlich, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser dem hessischen Landesaufnahmeprogramm jetzt schnell zustimmen wird“, sagten Lipsch und Schelwis.