Diakoniesonntag 2021 - 16. Sonntag nach Trinitatis

Auferstehung im Alltag erfahren

Pfarrer Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender Diakonie Hessen

Jasmin ist 34 Jahre alt und seit drei Jahren alleinerziehend. Neben ihrem anspruchsvollen Job bei einer Versicherung kümmert sie sich alleinverantwortlich um ihren fünfjährigen Sohn Paul. Das klappt dank des ganztägigen Angebots der Ev. Kindertagesstätte gleich um die Ecke ganz gut, was für ein Glück!

In den vergangenen 16 Monaten war jedoch alles anders: von einem Tag auf den anderen musste die Kindertagesstätte wegen der hohen Inzidenzzahlen schließen; von einem Tag auf den anderen schickte ihre Firma sie ins home office – und das alles in einer recht beengten Wohnung, die sie sich so grade eben leisten kann. Die ersten Monate bekommen sie es gemeinsam ganz gut hin, doch mit der Zeit wird es zunehmend anstrengend und Jasmin merkt, wie es ihr an die Substanz geht. Irgendwann kann sie nicht mehr.

So wie Jasmin geht es grade zahlreichen Müttern und Vätern von kleinen Kindern – genauso wie vielen, die ihre Angehörige über lange Zeit alleine zu Hause pflegen mussten, weil coronabedingt die Unterstützung, z. B. durch die ambulante Pflege einer Diakoniestation, wegfiel. Wie gut, dass es in unserem Land ein recht zufriedenstellend ausgebautes soziales Unterstützungssystem gibt: nach einem Beratungsgespräch im nahegelegenen Regionalen Diakonischen Werk kann Jasmin gemeinsam mit ihrem Sohn drei Wochen lang in der Klinik Werraland in Nordhessen, einem Zentrum für Familiengesundheit, Kraft tanken und sich erholen. Das tut ihnen beiden gut und frohgemut fahren sie wieder nach Hause.

Die Klinik Werraland geht wie viele andere Einrichtungen auf die Müttergenesungsarbeit zurück. 1950, vor über 70 Jahren, hat Elly Heuss-Knapp gemeinsam mit der diakonischen Pionierin Antonie Nopitsch das Müttergenesungswerk gegründet. Seitdem werden zahlreiche Mütter und mittlerweile auch Väter sowie Pflegende, deren Gesundheit durch schwierige Lebenssituationen angegriffen ist, in evangelischen Beratungsstellen und Kliniken beraten, begleitet und behandelt, so dass sie gestärkt und mit neuen Perspektiven den Alltag wieder bestehen können.

Finanziert wird diese wichtige Unterstützungsarbeit zum Teil auch mit Kirchensteuermitteln. Sie sind – auch deshalb – Ausdruck tätiger Nächstenliebe, einem Füreinander-Eintreten, um uns wechselseitig zu unterstützen, wenn es dem oder der Anderen grade mal nicht so gut geht. Sie ermöglichen so „Auferstehungserfahrungen“ mitten im Leben – so wie bei Jasmin und ihrem Sohn Paul, die es dank der Unterstützung schaffen, wieder aufzustehen und ihren Alltag neu anzugehen.

Solche Auferstehungserfahrungen stehen auch im Mittelpunkt des 16. Sonntags nach Trinitatis, den wir diese Woche feiern: Gott selbst schenkt neues Leben. Seine lebenserhaltende Macht überwindet -wie in der Auferstehungsgeschichte des Lazarus beschrieben - selbst den Tod und hilft auch mitten im Alltag, immer wieder neu aufzustehen. So wird Gottes Barmherzigkeit und Treue konkret und spürbar – so wie es im Buch der Klagelieder Jeremias im 3. Kapitel heißt:
„Die Güte des Herrn ist´s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu und deine Treue ist groß.“

Gott sei gedankt!

Diese Andacht ist in ähnlicher Fassung in der Evangelischen Sonntagszeitung, Ausgabe vom Sonntag, 19. September, veröffentlicht.