Andreas Lipsch von der Diakonie Hessen am Rednerpult auf der Tagung zum Grundgesetz
© Britta Jagusch

Einsatz für Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde nötig

Veranstaltung zum Jahrestag des Grundgesetzes setzt Blick auf die aktuelle Asyl- und Migrationspolitik und die mit ihr verbundene Aushebelung internationaler und europäischer Rechtsnormen

18.06.2025

Ziviler Grund- und Menschenrechtsgehorsam

Andreas Lipsch, Interkultureller Beauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und Leiter der Abteilung Flucht, Interkulturelle Arbeit, Migration (FiAM) der Diakonie Hessen begrüßte die rund 80 Teilnehmenden mit einem klaren Votum: „Keiner der zentralen Werte des Grundgesetzes darf infrage gestellt und politischen Kalkülen geopfert werden. Das Asylrecht ist eine der wichtigsten menschenrechtlichen Errungenschaften – nichts davon kann weg.“

Lipsch plädierte für einen „zivilen Grund- und Menschenrechtsgehorsam“. „Wenn staatliche Gewalt die Würde des Menschen nicht mehr hinreichend achtet und schützt, werden zivilgesellschaftlicher Widerspruch und eigener Einsatz notwendig.“ Die politische Entwicklung zeige, dass nicht nur in der AfD und bei rechtsextremen Gruppen, sondern auch in der sogenannten „demokratischen Mitte“ Grund- und Menschenrechte nicht mehr nur mit Worten infrage gestellt würden, sondern auch mit Taten. „Die neue Bundesregierung ist mit ihrer Zurückweisungsoffensive an den deutschen Grenzen entschlossen, geltendes Recht einfach nicht zu beachten – genauer gesagt: es zu brechen.“

Dass die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention hinterfragt und ausgehöhlt werden, griff auch Karl Kopp von Pro Asyl auf und machte deutlich, dass die Zurückweisung an den EU-Außengrenzen täglich Menschenleben koste. „Sie wählen den gefährlichen Weg über das Mittelmeer und ertrinken. Wir sprechen nicht von Zahlen, sondern von Menschen. Das dürfen wir nicht vergessen.“

Asylrecht ist Menschenrecht

Gastrednerin Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin, betonte, dass Grund- und Menschenrechte den Rechtsstaat ausmachten und nicht in Frage gestellt werden dürften. „Dies wird aber gerade in der aktuellen Asylpolitik getan“, sagte Rudolf. Der Vorschlag, das individuelle Recht auf Asyl durch Kontingente oder Ressettlementprogramme zu ersetzen, widerspreche dem Menschenrecht auf Asyl.

In ihrem Vortrag „Der demokratische Rechtsstaat unter Druck – warum das Asylrecht exemplarisch ist und was wir tun können“ plädierte sie dafür, dass gerade in Zeiten einer politischen Weltlage, „in der die USA als Vertreter von Menschenrechten ausfällt, Russland Völkerrechte mit Füßen tritt und China eine Weltordnung ohne Menschenrechte anstrebt, es umso wichtiger ist, dass Europa und allen voran Deutschland dieses hohe Gut der Menschenrechte achtet und verteidigt.“

„Wenn Gerichtsentscheide missachtet werden, gefährdet das den Rechtsstaat“ 

Die Juristin warnte davor, dass Gerichtsentscheide missachtet und nicht umgesetzt werden. Die Exekutive müsse eigentlich sicherstellen, dass Gerichtsbeschlüsse befolgt werden. „In der Realität werden jedoch rechtlich umstrittene Maßnahmen erstmal angewendet und erst dann wird geschaut, was die Gerichte dazu sagen. Damit entzieht sich die Exekutive ihrer Verantwortung.“ Als Beispiel nannte Rudolf die Kürzung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die Leistungen müssten existenzsichernd sein, alles andere sei verfassungswidrig.

„Auch die Auslagerung von Asylverfahren in Zentren an den EU-Außengrenzen oder die Übertragung von Asylverfahren an Drittstaaten ist europarechtswidrig und bereits in Italien an den Gerichten gescheitert“, sagte Rudolf. Das Ziel solcher Symbolpolitik sei einzig und allein, Schutzsuchende aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen. Vorteile gebe es keine, denn gerade die Übertragung an Drittstaaten sei mit immensen Kosten verbunden. „Mit diesem Geld könnten Kommunen eine gute Integrationsarbeit leisten“, so Rudolf.

Recht auf Familennachzug erhalten

Kritik übte die Institutsleiterin auch an der Aussetzung des Familiennachzugs von Menschen mit subsidiärem Schutzstatus. Hier werde das Recht auf Familie geopfert für politische Symbolpolitik. „Letztlich geht es um die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Ich möchte in einer solidarischen Gesellschaft leben, in der Menschlichkeit zählt“, sagte Rudolf. „Dafür braucht es eine starke Zivilgesellschaft, die Widerstand leistet, wo der Rechtsstaat und die Menschenrechte missachtetet werden.“

Lesen Sie den vollständigen Bericht über die Veranstaltung "...oder kann das weg?" auf der gemeinsamen Webseite Menschen-wie-wir.de von EKHN, EKKW und Diakonie Hessen

 

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