Frühförderung ist kein Luxus, sondern Grundrecht: Jedes Kind zählt
Recht auf frühe Förderung stärkt Teilhabe und Chancengleichheit in Hessen.
18.11.2025
Hessen setzt Maßstäbe, Kommunen und Städte gefordert.
Jedes Kind ist einzigartig und hat ein Recht darauf, gesehen, gehört und gefördert zu werden. „Dieses Recht gilt für alle Kinder – unabhängig von Herkunft, sozialem Status, Alter oder möglichen Beeinträchtigungen“, sagt Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, zum Tag der Kinderrechte am 20. November. „Es gilt, die Kinder bereits von Beginn des Lebens an zu fördern. Die Frühförderung übernimmt hier eine wichtige Rolle. Mit ihr werden die Rechte der Kinder und Jugendlichen gestärkt und ganz konkret umgesetzt. Mit der Landesrahmenvereinbarung zur Früherkennung und Frühförderung, die seit 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist, hat Hessen bundesweit ein starkes Signal gesetzt. Allerdings ist die Finanzierung noch nicht in allen Städten und Kommunen gesichert.
Frühförderung in Hessen: Kommunen und Städten fehlt das Geld
30,4 Millionen Euro will die Hessische Landesregierung 2025 laut hessischem Sozialmonitor zusätzlich in die Frühförderung investieren. Carsten Tag begrüßt dies und sagt: „Frühförderung spielt in Hessen eine zentrale Rolle. Wir freuen uns, dass das Land mit uns an einem Strang zieht und Kinder und deren Familien so früh wie möglich fördern und in der Entwicklung unterstützen will.“ Durch frühzeitige Begleitung, Förderung und Unterstützung im Alltag der Familien, werden zudem auch mögliche Folgekosten reduziert. Damit Kinderrechte gelebte Realität werden, braucht es verlässliche Strukturen, einen schnellen und niedrigschwelligen Zugang zu Hilfen und vor allem auskömmlich finanzierte Frühförderstellen. „Mit der Rahmenvereinbarung Frühförderung liegt eine gute Grundlage vor“, sagt Carsten Tag weiter. „Derzeit stehen viele Träger vor dem Abschluss der Vereinbarungen mit den Kostenträgern. Die Kommunen und Städte haben jedoch vielerorts weniger Geld und wollen die vereinbarten Leistungen zum Teil nicht oder nur unzureichend finanzieren. Insbesondere das offene niedrigschwellige Beratungsangebot für Familien vor Ort steht auf der Kippe. Dies gilt es zu verhindern.“ Für die Arbeit der Frühförderstellen stellt das Land Hessen über das Hessische Sozialbudget zur Kommunalisierung sozialer Hilfen zusätzliche und dringend benötigte Mittel zur Verfügung. Allerdings sind dieses Jahr für die Frühförderstellen insgesamt 1,7 Millionen Euro weniger freiwillige Mittel vorgesehen.
Frühförderung als wichtiger Beitrag zur Wahrung der Kinderrechte
Jessica Bartels, Referentin für Soziale Teilhabe bei der Diakonie Hessen, ergänzt: „Die Frühförderung stärkt Kinder und deren Familien, damit (drohende) Beeinträchtigungen und Entwicklungsverzögerungen verringert und Teilhabechancen verbessert werden. Frühförderung ermöglicht Teilhabe von Anfang an und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Beide fordern, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt an Bildung, Freizeit und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.“
Zusammenarbeit zum Wohl der Kinder
Angebote der Frühförderung tragen auch dazu bei, dass Kinder weniger ausgegrenzt werden. Gerade Familien mit Fluchterfahrungen oder in belasteten Lebenssituationen profitieren von dieser unbürokratischen Unterstützung. Sie finden in der Frühförderung Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die gemeinsam mit ihnen Wege zur Förderung und Teilhabe ihrer Kinder entwickeln. Jessica Bartels: „Die hessische Frühförderlandschaft zeigt, wie dies gelingen kann: durch Kooperationen mit Therapeutinnen und Therapeuten – und durch das klare Ziel, jedem Kind den besten Start in ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.“
Die neue Landesrahmenvereinbarung Frühförderung setzt bundesweit Maßstäbe. „Erstmals beteiligen sich die Krankenkassen an der Refinanzierung dieser interdisziplinären Zusammenarbeit. Das ist ein echter Durchbruch und ein starkes Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung für frühe Hilfen. Hessen übernimmt damit eine Vorreiterrolle und zeigt, wie innovative Lösungen soziale Teilhabe und frühkindliche Förderung nachhaltig verbessern können. Jetzt sind die Städte und Kommunen gefordert, diese frühen Hilfen ebenfalls zu stärken und damit ein wichtiges Grundrecht umzusetzen. Denn jedes Kind zählt – von Anfang an“, sagt Carsten Tag abschließend.
Aus der praktischen Arbeit: Anlaufstellen vor Ort unverzichtbar
Carmen Lauer, Leiterin der Frühförderstellen der Diakonie Frankfurt-Offenbach, sagt zur Bedeutung der offenen Anlaufstelle: „Die niedrigschwelligen Beratungsangebote vor Ort ermöglichen eine wohnortnahe und familiengerechte Beratung ohne bürokratische Hürden. Sie sind ein unverzichtbarer Bestandteil jeder interdisziplinären Frühförderstelle und nach §6 der neuen Landesrahmenvereinbarung eine Pflichtleistung, deren Finanzierung verlässlich geregelt sein muss. Die offene Anlaufstelle vor Ort ermöglicht Familien, die oft mit großer Sorge zu uns kommen, schnell und unkompliziert einen Termin – ohne Antrag.“
Carmen Lauer betont zudem: „Wir erleben die Frühförderstellen als unverzichtbare Lotsen im Hilfesystem. Sie sind oft die erste Anlaufstelle für Familien von Kindern mit Entwicklungsauffälligkeiten, um Orientierung und Unterstützung zu finden. Sie geben Sicherheit in einer Situation, die für viele unübersichtlich und belastend ist.“
Über die Landesrahmenvereinbarung
Zum 1. Januar 2025 ist die neue Landesrahmenvereinbarung Frühförderung (LRV FF) in Kraft getreten. Sie regelt in Hessen die Zusammenarbeit, Zuständigkeiten und Finanzierung der interdisziplinären Frühförderung für Kinder mit (drohender) Behinderung nach § 46 Absatz 4 SGB IX. Sie legt einheitliche fachliche und organisatorische Standards für ganz Hessen fest und sorgt dafür, dass Familien unabhängig vom Wohnort auf vergleichbare, qualitativ hochwertige Unterstützungsangebote zugreifen können.
Vertragspartner sind die gesetzlichen Krankenkassen (GKV), kommunale Spitzenverbände sowie die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen, zu der auch die Diakonie Hessen gehört.
Erstmals beteiligen sich auch die Krankenkassen an der Finanzierung der Zusammenarbeit von Fachkräften aus verschiedenen Disziplinen – z. B. Heilpädagogik, Physiotherapie, Logopädie oder Psychologie.
Weitere Neuerungen:
- Ausbau offener, niedrigschwelliger Beratungsangebote für Eltern,
- Überarbeitung der Vergütungsstrukturen für medizinisch-therapeutische Leistungen,
- Stärkung wohnortnaher Netzwerke der Frühförderstellen.
HINTERGRUND
Über den Tag der Kinderrechte
Jedes Jahr wird am 20. November weltweit der Internationale Tag der Kinderrechte begangen. Es ist der Jahrestag der Erklärung der Kinderrechte (UN-Kinderrechtskonvention), die im Jahr 1989 durch die Vereinten Nationen verabschiedet wurde. An diesem besonderen internationalen Erinnerungstag für Kinder wird dazu aufgerufen, auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu machen. Dazu sollen Aktionen für und vor allem mit jungen Menschen durchgeführt werden. Ziel ist es, die UN-Kinderrechtskonvention bei jungen Menschen und Erwachsenen noch viel bekannter zu machen. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF setzt 2025 mit dem Motto „Jedes Kind zählt!“ am Tag der Kinderrechte das Wohl jeden Kindes in den Mittelpunkt und fordert dazu auf, die Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention ernst zu nehmen.
Kontakt Diakonie Hessen:
Jessica Bartels
Referentin für Soziale Teilhabe / Eingliederungshilfe (SGB IX) Ressort Armutspolitik, Teilhabe und Inklusion
jessica.bartels@diakonie-hessen.de 0561 10953116Kontakt Diakonie Frankfurt-Offenbach:
Carmen Lauer
Leiterin SICHTWEISEN - Frühförderung für Kinder mit Blindheit u. Sehbehinderung, Frühförderung MOBIL / Vielfalt stärken - Fachbereich Diakonie und Seelsorge / Diakonie Frankfurt - Offenbach
069 24751494014