Mehr Schutzplätze für Mädchen
Rechtsanspruch auf spezielle Schutzangebote für Mädchen mit Gewalterfahrung nötig.
Schutz für Mädchen unterfinanziert.
Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November
25.11.2025
Gewalt hinterlässt tiefe Spuren
Jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexuelle Gewalt – oft beginnt das schon im Kindes- oder Jugendalter. „Gewalt hinterlässt tiefe Spuren: Angst, Traumatisierung, fehlendes Vertrauen. Für viele Mädchen bedeutet dies, dass sie nicht mehr in ihrem familiären Umfeld leben können. Genau hier setzt die diakonische Kinder- und Jugendhilfe an – und speziell Wohngruppen für Mädchen und junge Frauen“, erklärt Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, zum Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November. Doch der Blick auf die aktuelle Situation zeigt: Geschlechtsspezifische Angebote sind noch immer unterfinanziert.
Überlastung verhindern: Mehr Schutzplätze in der Region schaffen
Die Einrichtungen in der Diakonie Hessen können aufgrund fehlender Kapazitäten zahlreiche Anfragen nicht bedienen. Die Hilfestrukturen sind überlastet. Carsten Tag: „Mädchen und junge Frauen, die Gewalt erfahren haben, brauchen einen sicheren Ort – und zwar sofort und unkompliziert. Darauf sollten sie einen Rechtsanspruch haben, unabhängig von Herkunft, Einkommen, Inklusionsbedarf oder Aufenthaltsstatus. Gleichzeitig sollten sie die Möglichkeit haben, da, wo es gewollt ist, den Kontakt zu ihrem Elternhaus zu halten. Es kann nicht sein, dass die Mädchen durch ganz Deutschland geschickt werden und oft viele Kilometer und Stunden von Familie und Freunden entfernt untergebracht werden, nur weil es in ihrer Region keinen entsprechenden Platz gibt. Wir fordern daher die Politik auf Landes- und Kommunalebene auf: Stellen Sie ausreichend Mittel bereit, damit Mädchen und junge Frauen geschlechtsspezifische Schutzräume finden. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass ihr Schutz vom Bedarf abhängt und nicht vom Wohnort oder von der Haushaltslage.“
Spezielle Betreuung für Mädchen unverzichtbar
„Studien zeigten, dass Menschen, die bereits sexualisierte Gewalt erlebt haben, ein erhöhtes Risiko für erneute Gewalt tragen“, erläutert Sophia Schreiber, Referentin für Gewaltprävention bei der Diakonie Hessen. Hinzu komme, dass Frauen und Mädchen grundsätzlich deutlich häufiger betroffen sind als Männer und Jungen. Somit sind Mädchen, die in der Vergangenheit schon einmal sexualisierte Gewalt erlebt haben, eine besonders gefährdete Gruppe. Sophia Schreiber: „Wir müssen dafür sorgen, dass Mädchen und junge Frauen eine Chance bekommen, aus der Gewaltspirale auszubrechen und ihre Traumata zu verarbeiten. Angebote mit einer spezialisierten Betreuung sind daher unverzichtbar.“ Dass Mädchen einen speziellen Schutzraum benötigen, liege vor allem an einem unterschiedlichen Umgang mit Gewalterfahrungen. Sophia Schreiber: „Mädchen haben oft andere Bedürfnisse als Jungen – etwa im Umgang mit sexualisierter Gewalt, Selbstwert oder Körperbild. In den speziellen Schutzangeboten für Mädchen und junge Frauen gehen ausnahmslos weibliche Fachkräfte auf diese Bedürfnisse ein. Hier finden die Mädchen eine Gemeinschaft, die ihnen Halt und Sicherheit gibt.“
Inklusion auch im Schutz vor Gewalt nötig
In der Praxis gibt es zudem erhebliche Barrieren, wenn es um die Finanzierung der Leistungen für Mädchen und junge Frauen mit Behinderung geht. Carsten Tag: „Ein inklusives SGB VIII muss sicherstellen, dass alle junge Menschen – mit und ohne Beeinträchtigung – Zugang zu Schutz und Unterstützung erhalten. Finanzielle Hürden für zusätzliche Beratungs- und Betreuungsangebote, insbesondere für Mädchen und junge Frauen die Gewalt erfahren haben, müssen abgebaut werden, damit sie die Hilfe bekommen, die sie brauchen.“
Die Mädchenwohngruppe der Hephata Jugendhilfe – ein sicherer Ort für zwölf junge Menschen
Die Hephata Jugendhilfe in Südhessen etwa unterhält eine solche Mädchenwohngruppe. Zwölf Mädchen im Alter von acht bis 19 Jahren haben derzeit im ländlichen Raum Schutz gefunden: Neben den Plätzen in der Wohngruppe gibt es sechs weitere in betreuten Wohnungen. Der Bedarf ist groß: Die Plätze sind durchgehend belegt. Die Warteliste ist lang. Anfragen gehen aus ganz Deutschland ein. Stefanie Kück, Gruppenleiterin der Mädchenwohngruppe bei der Hephata Diakonie, erläutert: „Viele der hier wohnenden Mädchen sind traumatisiert und leiden an vielfältigen Beeinträchtigungen. Wir betreuen Mädchen und junge Frauen mit einem hohen Unterstützungsbedarf. Bei uns finden Mädchen, die Gewalt erfahren haben, einen sicheren Ort. Sie werden ausschließlich von weiblichen Fachkräften mit Erfahrung betreut und begleitet. Wir unterstützen individuell – von schulischer Förderung über therapeutische Begleitung bis hin zur Vorbereitung auf ein eigenständiges Leben. Bei uns finden sie eine Gemeinschaft und erhalten eine Zukunftsperspektive.“