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Armut und Einsamkeit

Menschen, die von Armut betroffen sind, erleben Einsamkeit häufiger als finanziell besser gestellte Personen. Ihnen fehlen oft die finanziellen Mittel, um aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wir zeigen, wie wir dagegen angehen können.

Armut plus Scham gleich Einsamkeit

Eine umfassende Studie der Universität Hamburg zur Frage „Macht Armut einsam?“ zeigt deutlich: Es besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Armut und Einsamkeit. Wer in Armut gerät, verliert häufig soziale Kontakte und nimmt seltener am gesellschaftlichen Leben teil.

Freizeitaktivitäten wie Sport, Theaterbesuche oder Treffen mit Freund*innen in Cafés, Restaurants oder Bars kosten Geld – Geld, das Menschen mit geringem Einkommen oft nicht haben. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat (bei einem Einpersonenhaushalt etwa 1.380 Euro), muss genau abwägen, wofür das Geld reicht. Auch private Beziehungen können unter dieser finanziellen Belastung leiden, denn Freundschaften basieren oft auf Gegenseitigkeit – etwa bei Einladungen oder Geschenken. Wenn eine Person dauerhaft mehr nehmen muss, als sie geben kann, kann das die Beziehung belasten.

Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel von 2018 zeigen: 12 Prozent der Menschen in armutsbetroffenen Haushalten fühlen sich häufig einsam – in nicht-armutsbetroffenen Haushalten sind es nur 5 Prozent.

Verschiedene Lebenslagen, die mit Armut einhergehen – wie ein niedriges Einkommen oder Vermögen, das Wohnen in sozial benachteiligten Gegenden, eingeschränkte Mobilität durch fehlendes Geld für den öffentlichen Nahverkehr oder ein eigenes Auto, schlechtere Gesundheit und geringere gesellschaftliche Teilhabe – erhöhen das Risiko, einsam zu werden. Wer arm ist, kann nicht gleichermaßen am Leben teilhaben – etwa durch Einladungen von Freunden, Restaurantbesuche, Hobbys oder Mobilität.

Nicht selten entsteht ein „Teufelskreis“: Armut führt zu Einsamkeit, diese wiederum kann die Gesundheit beeinträchtigen, was wiederum die Armut verschärft. Je stärker die Belastung durch Einsamkeit, desto höher ist das Risiko für gesundheitliche Probleme – und umgekehrt.

Sowohl Armut als auch Einsamkeit sind gesellschaftlich schambehaftet und gelten als Tabuthemen. Diese gegenseitige Verstärkung kann dazu führen, dass sich Betroffene noch weiter zurückziehen und zunehmend isoliert leben. Deshalb ist es wichtig, einen gesellschaftlichen Diskurs über diese Themen anzustoßen und für mehr Sensibilität zu sorgen, um sie aus der Tabuzone zu holen.

Armut oft schambelastet

Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel von 2018 zeigen: 12 Prozent der Menschen in armutsbetroffenen Haushalten fühlen sich häufig einsam – in nicht-armutsbetroffenen Haushalten sind es nur 5 Prozent. Hinzu kommt, dass sowohl Armut als auch Einsamkeit oft mit Scham behaftet sind. Viele Betroffene sprechen nicht darüber, sondern versuchen, ihre Situation zu verbergen. Das verstärkt die soziale Isolation und erhöht das Risiko, dass Einsamkeit chronisch wird. Je länger Menschen einsam sind und sich zurückziehen – oft auch, weil ihnen das Geld für gesellschaftliche Teilhabe fehlt – desto mehr verlieren sie das Vertrauen in ihre sozialen Fähigkeiten und den Mut, aktiv etwas zu verändern.

Hinzu kommt, dass sowohl Armut als auch Einsamkeit oft mit Scham behaftet sind. Viele Betroffene sprechen nicht darüber, sondern versuchen, ihre Situation zu verbergen. Das verstärkt die soziale Isolation und erhöht das Risiko, dass Einsamkeit chronisch wird. Je länger Menschen einsam sind und sich zurückziehen – oft auch, weil ihnen das Geld für gesellschaftliche Teilhabe fehlt – desto mehr verlieren sie das Vertrauen in ihre sozialen Fähigkeiten und den Mut, aktiv etwas zu verändern.

Im Zeitverlauf zeigt sich, dass Menschen, die über längere Zeit in Armut leben – etwa aufgrund von Erwerbslosigkeit – mit einer Veränderung ihres sozialen Netzwerks konfrontiert sind. Freundschaften und Kontakte zu Kolleg*innen gehen verloren, gemeinsame Unternehmungen werden seltener, und die Beziehungen zur Kernfamilie gewinnen an Bedeutung. Neue Kontakte entstehen meist nur mit Menschen in ähnlichen Lebenslagen oder im Rahmen von Unterstützungsangeboten. Langfristig führt dies zu einer Schwächung der sozialen Ressourcen und erhöht die Gefahr der Vereinsamung.

Die Verschränkung von Armut und Einsamkeit betrifft Menschen aller Altersgruppen. Zwar liegt der Fokus bisher vor allem auf älteren Frauen, doch auch Jugendliche sind betroffen. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts („Kindheit in Zeiten von Corona“) zeigt, dass sich in finanziell belasteten Familien laut Angaben der Eltern fast die Hälfte der Kinder (48 Prozent) einsam fühlte – im Vergleich zu nur 21 Prozent in finanziell gut aufgestellten Familien. Einsamkeit kann chronisch werden: Je länger Menschen einsam sind, desto stärker ziehen sie sich zurück und verlieren das Vertrauen in ihre sozialen Fähigkeiten.

Wie wir gegen Einsamkeit unter Menschen in Armut angehen können

Ein zentraler Schritt wäre die Bekämpfung von Armut – dafür setzt sich die Diakonie seit über hundert Jahren auf politischer Ebene und mit konkreten Hilfsangeboten ein. Dass wir das schon so lange tun, zeigt aber auch: Eine schnelle Lösung gibt es nicht. Armut ist ein strukturelles Problem unserer Gesellschaft, das uns vermutlich dauerhaft begleiten wird (vgl. Mt 26,11). Doch wir dürfen nicht aufhören, sie zu lindern.

Um Einsamkeit und Armut zu bekämpfen und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, müssen sowohl Gelegenheiten zur Aneignung sozialer Kontakte als auch die Fähigkeiten dazu gestärkt werden. Das bedeutet, dass eine entsprechende sozialstaatliche Infrastruktur und Maßnahmen zur „Empowerment“ notwendig sind. Gleichzeitig können wir auch an einem anderen Punkt ansetzen: der Scham. Es braucht Angebote in Gemeinden und sozialen Einrichtungen, die allen offenstehen – unabhängig vom Geldbeutel und ohne beschämende Hürden. Gerade für armutsbetroffene und einsame Menschen sind solche konsumfreien, niedrigschwelligen Begegnungsorte besonders wichtig. Orte, die nicht beschämen, sondern in einer wertschätzenden Atmosphäre Mut machen, erste Schritte aus der Einsamkeit zu gehen. Das bedeutet konkret:

 

Armut in Hessen weit verbreitet

In den vergangenen fünf Jahren ist die Armutsquote in Hessen weiter angestiegen und liegt aktuell bei 17,4 Prozent. Parallel dazu nimmt die Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen weiter zu. Besonders dramatisch hat sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt entwickelt: Die Zahl der Sozialwohnungen in Hessen hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert. Zum Jahresende 2018 standen nur noch etwa 80.000 öffentlich geförderte Wohnungen zur Verfügung – im Vergleich zu 95.000 zwei Jahre zuvor. Besonders gefährdet sind Alleinerziehende: In Haushalten mit nur einem Elternteil liegt das Armutsrisiko bei alarmierenden 44,9 Prozent.

Innerhalb Hessens gibt es erhebliche regionale Unterschiede in Bezug auf soziale Ungleichheit und Armutsbetroffenheit. Diese Unterschiede spiegeln sich unter anderem in der Lebenserwartung in verschiedenen Landkreisen wider. Zudem stellt sich die Frage, wie sich armutsbetroffene Menschen künftig vor den Folgen des Klimawandels und zunehmender Umweltbelastung schützen können – beispielsweise obdachlose Menschen in überhitzten Städten.

Kontakt

Dr. Melanie Hartmann

Leitung Existenzsicherung, Armutspolitik, Gemeinwesen

069 79476272

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