Damit sich die Versorgung pflegebedürftiger möglichst schnell verbessert, stellt das Bündnis für Gute Pflege kurzfristige und mittelfristige Forderungen an die Politik:
1. Kurzfristig umzusetzen sind:
Steuerfinanzierung „versicherungsfremder“ Leistungen
Verschiedene Leistungen werden derzeit von der Pflegeversicherung finanziert, obwohl es sich dabei um gesamtgesellschaftliche Ausgaben handelt und nicht um Aufgaben der Versichertengemeinschaft. Zu diesen Leistungen zählen z. B. die Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen nach § 44 SGB XI und die Zahlung des Pflegeunterstützungsgeldes bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung der Pflegenden nach § 44a SGB XI.
Medizinische Behandlungspflege in stationären Einrichtungen durch Krankenkassen finanzieren
Bei Leistungen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich um eine originäre Auf-gabe der Krankenversicherung. Mit Einführung der Pflegeversicherung 1996 wurde die me-dizinische Behandlungspflege im stationären Bereich dennoch – zunächst zeitlich befristet und später dann auf Dauer – bei der Pflegeversicherung angesiedelt. Während diese Leis-tungen in der häuslichen Pflege als häusliche Krankenpflege sachgerecht von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert (§ 37 Abs. 2 SGB V) werden, ist die medizinische Behandlungspflege in der stationären Pflege in den Leistungssätzen der Pflegeversicherung systemfremd enthalten. Da die Versicherungsleistungen deutlich niedriger sind als die Pflegesätze, zahlen die Pflegebedürftigen ihre Behandlungspflege de facto selbst.
Auflösung Pflegevorsorgefonds
Der Pflegevorsorgefonds wurde 2014 mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz eingeführt. In den Fonds fließt den gesetzlichen Vorgaben zufolge ein Anteil von 0,1 Prozentpunkten der Pflegeversicherungsbeiträge. In der Regel sind das pro Jahr 1,2 bis 1,7 Milliarden Euro. Formell handelt es sich dabei um ein Sondervermögen, das die Bundesbank verwaltet mit einer Anlagedauer von 20 Jahren. Die freiwerdenden Mittel sollen in die Pflegeversicherung fließen und für die Finanzierung einer besseren pflegerischen Versorgung verwendet werden.
Investitionskosten müssen von den Ländern übernommen werden
Trotz Einführung der Pflegeversicherung sollten die Länder nach § 9 SGB XI für das Vorhalten einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur verantwortlich sein. Da die Länder dazu nicht bereit waren, ist im Gesetz nur eine „Soll-Regelung“ enthalten, der zufolge die Länder Einsparungen bei der Sozialhilfe zur Finanzierung der Investitionskosten einführen „sollen“. In der Folge unterscheiden sich die Landespflegegesetze diesbezüglich erheblich und sind insgesamt sehr zurückhaltend, so dass die Heimbewohner*innen für die Investitionskosten in Höhe von durchschnittlich 455 € pro Monat aufkommen müssen. Individuelle Zuschüsse, wie z. B. das in einzelnen Ländern eingeführte Pflegewohngeld, bieten landesspezifische Unterstützung für Pflegebedürftige. Diese ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen für das Pflegeheim und die/den Bewohner*in geknüpft. Daher sind flächendeckende und umfassende Lösungen erforderlich. Hier sind die Länder gefragt, sie müssen wieder die Verantwortung übernehmen und für die Investitionskosten aufkommen, statt sie weiterhin den Heimbewohner*innen aufzubürden.
Dynamisierung der Leistungen
Die fehlende Leistungsdynamisierung hat in den vergangenen Jahren erheblich zu einer hohen finanziellen Belastung der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen beigetragen, bei ambulant betreuten Pflegebedürftigen hat sie das Risiko für eine pflegerische Unterversorgung verschärft oder die Zuzahlungen erhöht. Daher fordert das Bündnis für Gute Pflege den Gesetzgeber auf die Vorgaben des § 30 SGB XI, der nur einen Prüfauftrag zur Leistungsdynamisierung vorsieht, zu ändern. Sinnvoll wäre eine jährliche, gesetzlich vorgeschriebene Dynamisierung mindestens entsprechend der durchschnittlichen Bruttolohnentwicklung statt einer Anpassung nach Kassenlage.
Begrenzung der Eigenanteile
Einer finanziellen Überforderung der Pflegebedürftigen durch steigende Eigenanteile bei den pflegebedingten Kosten muss entschieden entgegen gewirkt werden. Daher sind in einem ersten Schritt die einrichtungseinheitlichen Eigenanteile zu begrenzen. Eine Möglichkeit stellt für die stationäre Pflege der sog. Sockel-Spitze-Tausch dar, bei dem die von den Heimbewohner*innen zu erbringenden Eigenanteile gedeckelt würden, während alle darüber hinaus anfallenden Kosten durch die Pflegeversicherung zu tragen wären. Auch für die häusliche Pflege ist ein tragfähiges Konzept notwendig, das eine bedarfs- und bedürfnisgerechte pflegerische Versorgung garantiert und die Eigenanteile begrenzt. Mittelfristig bleibt das Ziel einer Reduzierung des Eigenanteils für pflegebedingte Kosten auf Null.
2. Mittelfristig umzusetzen ist:
Für einen Systemwechsel hin zu einer solidarischen und paritätischen Finanzierung von Pflege
Um die finanziellen Belastungen solidarisch zu verteilen und das Pflegerisiko nachhaltig ab-zusichern, fordert das Bündnis für Gute Pflege perspektivisch einen Systemwechsel hin zu einer solidarischen und paritätischen Finanzierung von Pflege. Dafür ist nicht nur die Integration der gesamten Bevölkerung in eine Sozialversicherung, sondern zudem auch mindestens die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung (West) sowie die Ausdehnung der Beitragspflicht auf weitere Einkunftsarten sicher-zustellen. Darüber hinaus braucht es die Rückkehr zur echten Parität in der Finanzierung, die bisher arbeitgeberseitig durch den Wegfall eines Feiertages kompensiert wurde.
Damit kann die bislang vorherrschende strukturelle Einnahmeschwäche der Sozialen Pflege-versicherung beseitigt werden, die darin besteht, dass die Gesamtsumme der beitragspflichtigen Einnahmen langsamer wächst als das Bruttoinlandsprodukt. Diese Versicherung deckt alle pflegerischen Leistungen ab. Heimbewohner*innen kommen für die angemessenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung analog der häuslichen Pflege auf. Damit kann der Beitragssatz langfristig stabilisiert werden – er ist praktisch genauso hoch wie im Status Quo. Das Bündnis für Gute Pflege fordert die Absicherung des Pflegerisikos aus einer Hand.
Mehr erfahren Sie hier: http://buendnis-fuer-gute-pflege.de/
Wir sind als Diakonie Deutschland Bündnispartner dieser Initiative.
Ansprechpartnerin: Sonja Driebold