Wenig Geld macht arm - und einsam
Diakonie Hessen fordert zum Tag zur Beseitigung von Armut am 17. Oktober mehr Gerechtigkeit bei sozialer Teilhabe
14.10.2025
Mit der dunkleren Jahreszeit beginnt für viele der Rückzug ins eigene Heim.
„Für Menschen, die unfreiwillig alleine sind und zusätzlich mit wenig Geld leben müssen, ist diese Zeit besonders herausfordernd“, sagt Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen zum Tag zur Beseitigung von Armut. „Einsamkeit trifft vor allem jene, die sich soziale Aktivitäten schlicht nicht leisten können.“ Treffen mit Freunden in Cafés, Restaurantbesuche oder kulturelle Veranstaltungen wie Kino oder Theater kosten Geld. Auch sportliche Aktivitäten in Fitnessstudios oder Vereinen sind mit Kosten verbunden. „Für Freizeit, Unterhaltung und Kultur stehen im Bürgergeld monatlich 54,92 Euro zur Verfügung“, erklärt Dr. Melanie Hartmann, Referentin für Armutspolitik bei der Diakonie Hessen. „Wer ein Fitnessstudio-Abo abschließt, kann sich Essengehen mit Freunden praktisch nicht mehr leisten.“ Laut Daten des Sozio-oekonomischen Panels aus dem Jahr 2018 fühlen sich zwölf Prozent der Personen in armutsbetroffenen Haushalten häufig einsam – im Vergleich zu nur fünf Prozent in Haushalten ohne Armutsrisiko (siehe hierzu Expertise des Kompetenznetz Einsamkeit).
„Wir beobachten mit Sorge den aktuellen Diskurs rund um Armut, Erwerbslosigkeit und das Bürgergeld“, sagt Melanie Hartmann weiter. „Es wird der Eindruck erweckt, als würden Menschen auf Kosten der Allgemeinheit Spaß haben und ein bequemes Leben führen. Dabei sind die Gründe für den Bezug von Transferleistungen vielfältig – etwa gesundheitliche Einschränkungen oder Zeiten für Kindererziehung. Menschen, die in die Erwerbslosigkeit rutschen, verlieren häufig nach und nach ihre sozialen Kontakte und Netzwerke und sind zudem mit gesellschaftlicher Stigmatisierung konfrontiert – eine Situation, die sich niemand wünscht. All dies belastet Menschen, die von Armut betroffen sind, und führt zu steigenden Gesundheitsrisiken.“
Nicht nach unten treten – gerechter verteilen!
Mehr soziale Teilhabe ermöglichen etwa konsumfreie Begegnungsorte oder Angebote mit solidarischen Preisstrukturen, die allen Menschen offenstehen. Die Mitgliedseinrichtungen der Diakonie Hessen bieten solche Treffpunkte in verschiedenen Städten in Hessen an (siehe Auswahl unten). Carsten Tag betont: „Niedrigschwellige Angebote für soziale Teilhabe sind ein wichtiger Schritt. Doch wir müssen auch die strukturellen Ursachen von Ungleichheiten angehen. Statt nach unten zu treten, sollten wir für eine gerechtere Verteilung sorgen – etwa durch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder eine reformierte Erbschaftssteuer, die zumindest abmildert, dass sich hohe Vermögen über Generationen ungebremst anhäufen. Von den geschätzten 400 Milliarden an vererbtem Vermögen erzielt der Staat laut Statistischem Bundesamt gerade einmal 13,3 Milliarden Einnahmen in Form von Erbschafts- und Schenkungssteuern “, so Carsten Tag. „Mit zusätzlichen Mitteln aus einer reformierten Erbschaftssteuer könnten zudem dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden, um so den Zugang etwa zu Mobilität, Bildung, Unterstützungsleistungen und bezahlbarem Wohnraum zu verbessern. Denn all dies sind weitere wichtige Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben für alle“, sagt Melanie Hartmann abschließend.
Eine Auswahl an diakonischen Angeboten für armutsbetroffene Menschen:
Kassel
Einmal in der Woche öffnet die „Kantine für Alle“ des Ernährungsrats Kassel und Region e.V. ihre Türen und lädt ein zu einem leckeren, gesunden und klimafreundlichen Abendessen. Zur Kantine für Alle!
Mainz-Drais
Cafédrale C41. Mehr als ein Café – ein Ort der Begegnung für Alt und Jung, für Kaffee und Kultur, für Ruhe und Gespräche. Zum Über uns | Cafédrale C41
Homberg/Efze
Mittagstisch im EinLaden am Obertor – in der Gemeinschaft mit anderen Menschen speisen. Zum Treff | EinLaden am Obertor
Westerburg
Teilhabezentrum "WällerLand" - Ein Herzensort mitten in Westerburg: Café und Beratungsstelle. Zum Teilhabezentrum
Bahnhofsmissionen in Kassel, Bad Hersfeld, Fulda, Frankfurt, Darmstadt
Die Bahnhofsmissionen stehen allen offen, die Hilfe bei der Reise benötigen, Fragen zu lokalen Beratungs- und Unterstützungsangeboten haben oder einfach nur soziale Begegnungen suchen. Sie finden hier engagierte Menschen, die ihnen zuhören und einen Ort, um sich bei einem warmen Getränk auszuruhen und mit anderen ins Gespräch zu kommen. Manche der Bahnhofsmissionen bieten auch eigene Begegnungstreffs oder Räume für Frauen an – fragen Sie vor Ort nach!
Kontakt

Dr. Melanie Hartmann
Referentin Armutspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Jugendberufshilfe, Projekt Ländliche Armut
melanie.hartmann@diakonie-hessen.de 069 79476272Schwerpunkt "Einsamkeit"
Die Diakonie Hessen hat dieses Jahr Einsamkeit als Schwerpunktthema. Auf der Themenseite finden Sie Informationen zu den sozialen Faktoren von Einsamkeit, zu diakonischen Angeboten und Publikationen: Zur Themenseite
Zum Thema „Einsamkeit und verdecke Armut“ veranstaltet die Diakonie Hessen am 30. Oktober in Frankfurt zusammen mit den beiden Evangelischen Kirchen in Hessen einen kirchenpolitischen Fachtag: Fachtag der Kirchen: Einsamkeit und verdeckte Armut - Diakonie Hessen. Impulsvorträge halten u.a. die Hessische Sozialministerin Heike Hofmann sowie Autor und Wissenschaftler Dr. Janosch Schobin.
Lesen Sie unser Interview mit Dr. Janosch Schobin, Autor des Buches „Zeiten der Einsamkeit“ und Wissenschaftler unter anderem im Kompetenznetz Einsamkeit. Zum Interview